Festnahme: 10 Jahre lang war Karadzic der Doktor Dragan Dabic

Dem mutmaßlichen Kriegsverbrecher wird nun vor dem UN-Tribunal in Den Haag der Prozess gemacht.

Belgrad. Nach mehr als einem Jahrzehnt auf der Flucht ist einer der meist gesuchten mutmaßlichen Kriegsverbrecher jetzt gefasst.

Der wegen Gräueltaten während des Bosnien-Kriegs 1992 bis 1995 angeklagte frühere bosnische Serbenführer Radovan Karadzic wurde in der Nacht zu gestern in einem Vorort von Belgrad verhaftet. Ein serbischer Richter ordnete seine Überstellung an das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag an.

Dort soll dem 63-Jährigen wegen Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Prozess gemacht werden.

Am schwersten wiegt dabei das Massaker von Srebrenica: Bei dem schlimmsten Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg hatten im Juli 1995 bosnisch-serbische Soldaten fast 8000 Muslime ermordet.

Die in Kürze erwartete Auslieferung Karadzics ist neben der Verhaftung seines Ex-Militärchefs Ratko Mladic und des kroatischen Serbenführers Goran Hadzic eine der Bedingungen für eine weitere Annäherung Serbiens an die EU. Beobachter gehen davon aus, dass die neue Regierung unter Führung pro-europäischer Parteien auch Mladic und Hadzic auf den Fersen ist.

Die Verhaftung Karadzics löste weltweit Erleichterung aus. Der frühere US-Vermittler im Bosnien-Krieg, Richard Holbrooke, sagte: "Einer der schlechtesten Männer der Welt, der Osama bin Laden Europas, ist endlich gefasst worden."

Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach von einer "guten Nachricht für den gesamten Balkan". UN-Generalsekretär Ban Ki Moon meinte: "Das ist ein historischer Moment für die Opfer, die 13 Jahre lang gewartet haben, dass Karadzic vor Gericht gestellt wird."

Der Beschuldigte schwieg zu den Vorwürfen. Er habe bei seiner ersten Vernehmung das Verfahren gegen ihn als "Farce" bezeichnet, berichtete sein Anwalt. Er verweigere die Nahrung.

Karadzic hatte sich fast perfekt getarnt. Der für die Zusammenarbeit mit dem UN-Tribunal zuständige Minister Rasim Ljajic erklärte, er habe die letzten zehn Jahre in einer Arztpraxis in Belgrad gearbeitet und sich frei in der Stadt bewegt. Der Doktor der Medizin habe sich mit "alternativer Medizin" beschäftigt und einen gefälschten Personalausweis auf den Namen Dragan Dabic besessen.

Das Gericht in Den Haag hatte den früheren Serbenführer vor 13 Jahren angeklagt, zwölf Jahre war er untergetaucht. Nach Darstellung des Tribunals wurde er von Helfershelfern in der Armee, in der Politik und im Geheimdienst gedeckt.