Massaker: Gerechtigkeit für Srebrenica
Die bosnischen Muslime bejubeln die Festnahme von Radovan Karadzic. Er gilt als Drahtzieher der Gräueltaten vom Juli 1995.
Sarajevo/Belgrad. Als die Nachricht von der Festnahme Radovan Karadzics in Sarajevo eintrifft, gibt es für viele Menschen in der bosnischen Hauptstadt kein Halten mehr. Sie strömen in der Nacht in die Innenstadt, blockieren mit ihren Autos die Straßen, hupen bis in die frühen Morgenstunden.
"Ich bin so glücklich. Ich habe sehr lange auf diesen Moment gewartet", sagt der Taxifahrer Tadzo, der sein Auto mit einer bosnischen Flagge geschmückt hat.
Dass Karadzic nach fast 13 Jahren auf der Flucht von den serbischen Behörden gefasst wurde, ist für die bosnischen Muslime eine tiefe Genugtuung.
Noch vor elf Tagen trauerten sie am Jahrestag des Massakers von Srebrenica um die Opfer des schwersten Kriegsverbrechens in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Noch immer haben Gerichtsmediziner nicht alle der rund 8000 in Massengräbern gefundenen Toten identifiziert. Karadzic gilt als Hauptverantwortlicher für die Gräueltat aus dem Juli 1995.
"Endlich tritt Gerechtigkeit ein", sagt Kada Hotic von der Organisation "Mütter von Srebrenica" - ein Zusammenschluss von Frauen, deren Männer und Söhne bei dem Massaker ermordet wurden. Der muslimische Vertreter der dreiköpfigen bosnischen Präsidentschaft, Haris Silajdzic, erklärt: "Das stärkt das Vertrauen in die Justiz."
In Sarajevo fallen sich die Menschen in die Arme. "Jetzt ist Ratko Mladic an der Reihe", sagt Medizinstudent Almir Tufo. Der bosnisch-serbische Ex-General ist wie Karadzic wegen Völkermords, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Bosnienkrieg angeklagt.
Während die bosnische Hauptstadt feiert, gehen in Belgrad serbische Ultranationalisten auf die Straße. Rund 50 teilweise vermummte Mitglieder der Bewegung Obraz versammeln sich vor dem Gebäude des serbischen Kriegsverbrechergerichts. Karadzics Tochter, Sonja Karadzic Jovicevic, will sich nicht äußern: "Ich habe Ihnen dazu nichts zu sagen", äußert sie in Pale, dem früheren Hauptquartier des bosnischen Serbenführers.
Die bosnischen Serben erwarten nun, dass der 63-jährige Karadzic in Den Haag zu lebenslanger Haft verurteilt wird. "Ich wünsche ihm ein langes Leben", sagt ein Anwalt aus Sarajevo. "Ich möchte nicht, dass es so endet wie bei Milosevic." Der ebenfalls vor dem UN-Tribunal angeklagte serbische Ex-Präsident Slobodan Milosevic war im März 2006 im Gefängnis gestorben - bevor die Richter ihr Urteil fällen konnten.