François Hollande geht auf Angela Merkel zu

Der französische Präsident und die Kanzlerin planen eine gemeinsame Initiative für den nächsten EU-Gipfel.

Paris. François Hollande (PS) bewegt sich doch. Bei der Paris-Visite von Angela Merkel (CDU) haben der französische Staatschef und die Kanzlerin beschlossen, beim EU-Gipfel am 27. und 28. Juni zum ersten Mal eine gemeinsame Initiative vorzustellen — „für ein gestärktes Europa der Stabilität und des Wachstums“. Darin dringen sie auf regelmäßige Gipfel der Eurozone und auf eine Aufwertung des Chefs der Euro-Gruppe zu einem „Vollzeit-Präsidenten“.

Damit rückt Hollande von seinem Gelübde ab, das er im Wahlkampf vollmundig abgelegt hatte. Damals, als Merkel und Hollande-Vorgänger Nicolas Sarkozy (UMP) in der EU noch den Ton angab, hatte der Sozialist gegen das „deutsch-französische Direktorium“ gewettert, das die anderen 25 EU-Mitglieder nach Belieben bevormunde.

Seit Hollandes Amtsantritt vor einem Jahr haben sich die deutsch-französischen Beziehungen beängstigend abgekühlt. Von Feierlaune zum 50. Jahrestag des Elysée-Freundschaftsvertrages konnte zuletzt keine Rede mehr sein. Der vorläufige Tiefpunkt war erreicht, als führende Männer der sozialistischen Regierungspartei Giftpfeile gegen Angela Merkel abschossen und ihr eisernes „Spardiktat“ für die Dauerkrise in Ländern wie Griechenland verantwortlich machten.

Selbst Holland, der in Gutmenschen-Manier demonstrativ Wachstum und Solidarität vor Sparen setzte, hatte aus den „freundschaftlichen Spannungen“ mit Angela Merkel keinen Hehl gemacht. Doch diese bleibt ihrer Linie treu. „Haushaltsdisziplin und Wachstum sind zwei Seiten einer Medaille“, bekräftigte sie in Paris und fügte hinzu: „Wachstum funktioniert besser, wenn das Defizit sinkt.“

Als Führer der beiden größten Wirtschaftsnationen in der EU waren sich französische Präsidenten und deutsche Kanzler stets auf Augenhöhe begegnet. Doch seitdem Frankreich tiefrote Zahlen schreibt, haben sich die Machtverhältnisse verschoben. Während Deutschland Schulden abbaut, Exportüberschüsse verzeichnet und sich sinkender Arbeitslosenzahlen erfreut, befindet sich Frankreich im freien Fall.

Frankreich ist der neue kranke Mann Europas: mit einer Wirtschaft, deren Wettbewerbsfähigkeit dramatisch sinkt. Hollande — wie schon Vorgänger Sarkozy — steht vor einem nahezu unlösbaren Dilemma. Er weiß nur zu gut, dass sein Land unter einem gewaltigen Reformstau ächzt und eine Strukturreform nach dem Vorbild der Schröder’schen „Agenda 2010“ unausweichlich ist. Selbst die Mehrheit der Franzosen hat begriffen, dass sie über ihre Verhältnisse lebt. Doch schon Sarkozy ist an der Reformunfähigkeit der Franzosen gescheitert, und auch der zaghafte Hollande möchte dem Volk keine schmerzhaften Einschnitte zumuten — aus Angst, so wie Schröder dafür abgewählt zu werden.