Reisefreiheit in Europa stößt wieder an Grenzen
Die neue Schengen-Reform erlaubt Staaten in Ausnahmefällen wieder Kontrollen.
Brüssel. Von einem „historischen Moment“ sprechen die Befürworter — von einer Gefahr für das „heilige Gut Reisefreiheit“ die Kritiker. Bei kaum einem anderen Thema erhitzen sich die Gemüter in Europa so sehr wie bei der Reform des Schengener Abkommens. Dieses Abkommen garantiert seit mehr als einem Vierteljahrhundert freies Reisen in Europa — für mehr als 400 Millionen Europäer. Nach zwei Jahren des Streits haben sich die Staaten und die EU-Kommission nun auf Reformen geeinigt. Sie geben den Staaten vom Herbst 2014 an mehr Spielraum, ihre Grenzen wieder kontrollieren zu dürfen — etwa bei einem Ansturm von Flüchtlingen.
Allerdings gibt die Reform den Schengen-Ländern keinen Freibrief, die Grenzen willkürlich dichtzumachen. Alleingänge, wie einige — darunter Deutschland — verlangt hatten, sind ausgeschlossen. Die Entscheidung soll auf europäischer Ebene fallen. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), der sich stets dafür eingesetzt hat, dass die Staaten handlungsfähig bleiben, sagt: „Wir wahren die Balance zwischen der Achtung der nationalen Souveränität der Mitgliedsstaaten und der notwendigen Befassung auf europäischer Ebene.“
Auslöser für die Änderung der Schengen-Regeln war 2011 der Arabische Frühling. Damals kamen Tausende Flüchtlinge aus Nordafrika in das EU-Land Italien und reisten weiter nach Frankreich. Prompt schloss Paris die Grenze zu Italien; es kam zu einem Grenzstreit.
Auch die Ankündigung der dänischen Regierung, permanente Zollkontrollen einzurichten, sorgte für Unmut in Deutschland. Über solche Maßnahmen wird künftig auf EU-Ebene beraten. „Die Angriffe auf die Freizügigkeit, wie wir sie von Italien, Frankreich oder Dänemark erlebt haben, sind abgewehrt“, sagt der EU-Abgeordnete Manfred Weber (CSU) zu der Reform.
Der Fokus richtet sich auch auf Griechenland Viele EU-Staaten sind unzufrieden, dass Athen seine Grenze zur Türkei — eine Außengrenze der EU — nicht gut sichert. Flüchtlinge oder Schlepper könnten deshalb ungehindert weiterreisen, etwa nach Deutschland, heißt es. Andere EU-Staaten, etwa Nachbar Bulgarien, könnten nun bis zu zwei Jahre wieder die Grenze kontrollieren.