Gipfelchef erwartet Einigung zu EU-Finanzen
Brüssel (dpa) - Nach stundenlangem Ringen um den künftigen Finanzrahmen der EU ist auf dem entscheidenden Gipfel die Zuversicht für eine Einigung gewachsen.
Gipfelchef Herman Van Rompuy zeigte sich nach intensiven Vorgesprächen am Donnerstagabend in Brüssel doch noch optimistisch, nachdem die Fronten lange verhärtet schienen. „Ich bin zuversichtlich, dass wir an diesem Tisch jetzt einen endgültigen Kompromiss vereinbaren können. Wir müssen das einfach“, sagte er, nachdem er einen neuen Kompromiss vorgelegt hatte. Konkrete Zahlen nannte er zunächst jedoch nicht.
Sein bisheriger Kompromissvorschlag hatte für die Jahre 2014 bis 2020 Gesamtausgaben in Höhe von 972 Milliarden Euro vorgesehen. Dies war beim Gipfel im November vor allem am Widerstand der sparwilligen Geberländer wie Deutschland und Großbritannien gescheitert.
Deutsche Regierungskreise schlossen dennoch ein Scheitern nicht aus. Die Gespräche verliefen „sehr, sehr schwierig“, verlautete am Rande der Beratungen der 27 EU-Staats- und Reagierungschefs. „Es ist gar nicht sehr wahrscheinlich, dass es gelingt.“ Inzwischen werde aber über niedrigere Budgetzahlen gesprochen als beim gescheiterten Gipfel vom November.
Die Rede war von etwa 960 Milliarden Euro. Dies entspräche genau einem Prozent der EU-Wirtschaftsleistung - so wie es Berlin verlangt hatte. 94 Prozent des Geldes fließt in die Mitgliedstaaten zurück.
Van Rompuy sagte: „Wir brauchen ein Budget der Mäßigung, das die schwierigen Haushalts-Realitäten in ganz Europa in Rechnung stellt...“. Das Budget müsse auch beitragen, Herausforderungen wie die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Wenn alle am Tisch Kompromissbewusstsein zeigten, sei ein Kompromiss möglich, sagte er.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte noch bei ihrem Eintreffen in Brüssel betont: „Die Positionen sind doch noch recht weit auseinander.“ Der britische Premierminister David Cameron hatte erklärt, es müssten im Vergleich zum ersten Anlauf weitere Kürzungen erfolgen. Damals hatte Van Rompuy einen Finanzrahmen ohne Nebenhaushalte von 972 Milliarden Euro vorgeschlagen.
Ohne Einigung auf einen neuen Siebenjahresplan müsste für die Zeit ab 2014 jeweils jährlich ein Budget festgesetzt werden. Für die Geberländer würde es dann vermutlich teurer werden. Sollte auch der zweite Versuch an diesem Wochenende keinen Erfolg haben, wird es laut EU-Diplomaten länger dauern, bis die EU noch einen weiteren unternimmt. Jedes Land hat ein Veto gegen den Finanzplan, weil eine Einigung nur einstimmig möglich ist. Während Geberländer wie Deutschland und Großbritannien weniger ausgeben wollen, kämpfen süd- und osteuropäische Länder um ihre Milliardenzuflüsse aus Brüssel.
Kanzlerin Merkel und Frankreichs Staatschef François Hollande zogen beim Finanzgipfel am selben Strang. Beide seien sich über die Umrisse eines Kompromisses weitgehend einig, verlautete aus Diplomatenkreisen. Aus Berlin war schon zuvor bekanntgeworden, dass Deutschland wohl in den kommenden Jahren mehr nach Brüssel zahlen müsse. Wie Merkel sagte auch Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann, die Gefahr eines Scheiterns sei „immer gegeben“.
Zuvor hatten der britische Premier David Cameron und Hollande ihre Positionen bekräftigt. Hollande pochte auf die Agrarzahlungen, deren größter Profiteur Frankreich mit rund 10 Milliarden Euro jährlich ist. Wenn Europa „die Landwirtschaft vergessen würde, dann wäre ich damit nicht einverstanden“. Die Finanzplanung müsse auch Wachstum fördern und Solidarität finanzieren.
Cameron zeigte sich hart: „Wenn die Zahlen nicht kleiner werden, werden wir keinen Deal haben.“ Ein anderer Hardliner, der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte, gab sich vorsichtig optimistisch: „Es wird schwer, aber es ist möglich.“
Der Rotstift soll nun auch bei der EU-Verwaltung angesetzt werden - eine Dauerforderung Camerons. Dabei macht diese nur einen kleinen Teil des Haushalts aus. Die größten Posten entfallen auf Zahlungen für Europas Bauern sowie die Förderung armer Regionen.
Wenn die Staats- und Regierungschefs sich einigen, heißt das noch lange nicht, dass das Budget dann durch ist - denn auch das Europaparlament muss zustimmen. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hatte mit dem Nein des Parlaments gedroht, falls die Summe zu niedrig liegen sollte. „Wenn mir heute gesagt wird: "Vogel friss oder stirb", dann glaube ich nicht, dass die europäischen Parlamentarier sich das gefallen lassen.“