Harter Poker um die Eurozone

Die Forderungen von Kanzlerin Merkel zur Reform des Euro-Stabilitätspaktes provozieren die Staats- und Regierungschefs.

Brüssel. Es war eine Zitterpartie, zu der Angela Merkel (CDU) am Donnerstag in Brüssel anreiste. Hoch gepokert hatte die Kanzlerin vor dem Gipfel-Treffen mit den Kollegen Staats- und Regierungschefs. Groß hatte sie verkündet, ohne eine Änderung der EU-Verträge werde sich Deutschland im Jahr 2013 - wenn der aktuelle Krisenmechanismus ausläuft - nicht an der Konstruktion eines neuen Rettungsschirms über der Euro-Zone beteiligen. Und ohne den größten Nettozahler, das ist allen Beteiligten klar, ist die Gemeinschaftswährung nicht wetterfest zu machen.

Zwei Hauptanliegen hatte Merkel bei der Reise nach Brüssel in der Tasche: Zum einen will sie Defizitsündern die Stimmrechte streichen - was europaweit und zum Gipfelstart am Donnerstagabend heftige Empörung auslöste. Zum anderen sollen private Gläubiger im Falle eines drohenden Staatsbankrotts mit haften - eine drakonische Maßnahme, die bei der Einrichtung des Ad-hoc-Rettungsschirms bei der Euro-Krise im Frühjahr noch nicht umsetzbar war, weil die Märkte nicht vorgewarnt waren.

Sichtlich zerknautscht wirkte die Kanzlerin nach dem Telefonmarathon der vergangenen Tage, als sie zur ersten Verhandlungsrunde antrat. Nachdem noch Anfang der Woche beim Vorbereitungstreffen der Außenminister ein Großteil der Mitgliedsstaaten Front gemacht hatte gegen das deutsch-französische Duo, hatte sich Merkel ans Telefon gehängt und um europaweite Unterstützung geworben. Das Thema Stimmrechtsentzug müsse auf der Tagesordnung bleiben - Diplomaten lesen bei solcher Wortwahl die Bereitschaft zum Kompromiss heraus.

Weniger zugeknöpft zeigten sich ihre Kritiker. Seit Angela Merkel und Nicolas Sarkozy sich im französischen Badeort Deauville auf den deutsch-französischen Fahrplan verständigten, kann Merkel nur noch den Kopf einziehen, so heftig ist das diplomatische Dauerfeuer. "Der Stil ist schlicht unmöglich", schimpfte der luxemburgische Premier Claude Juncker kurz vor dem Gipfel im Interview mit der Tageszeitung "Die Welt".

Noch übler ätzte der Chef der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, Martin Schulz. "Es ist der Eindruck entstanden, dass über Europa beim Strandspaziergang von Angie und Sarko entschieden wird", so Schulz. "Der arme Hermann" sei dadurch einfach an den Rand gewischt worden. Damit war Ratspräsident Hermann Van Rompuy gemeint; das Strategiepapier, das die Arbeitsgruppe unter seiner Führung erarbeitet hat, bildet die eigentliche Grundlage der Gipfel-Debatten.

Doch an der Idee eines Krisenmechanismus mit Beteiligung der Privatwirtschaft kann er als Sozialdemokrat eigentlich nicht herummäkeln. Und eine Alternative zu Vertragsänderungen hat er auch nicht parat. Das galt bei Beginn der Beratungen auch für die Gipfelteilnehmer. Hinter den Kulissen feilschten Diplomaten hektisch um eine Kompromissformel. Berlin, so hieß es, bekommt eine "Vertragsänderung light".