AfD geht auch inhaltlich auf Expansionskurs

Rechtspopulisten sehen Gewerbetreibende und Arbeitnehmer als neue Zielgruppe. Immer wieder gibt es rassistische Ausfälle in der AfD.

Neuer Tiefpunkt: Die AfD in Baden-Württemberg sorgte mit der Forderungnach einem Ende der „Stolperstein“-Aktion für Entsetzen. Die Steine erinnernin ganz Deutschland an jüdische Nazi-Opfer.

Foto: Malte Christians

Berlin. Bundesweit mit 16 Prozent erstmals vor der SPD, die nur noch auf 15,5 Prozent Zustimmung kommt — klar, dass die AfD ihr Umfragehoch gebührend feiert. „Das deutsche Parteiensystem bebt“, jubelte am Dienstag ihr Parlamentarischer Geschäftsführer im Bundestag, Bernd Baumann. „Unser nächstes Ziel ist die CDU“.

Die Rechten profitieren von der Krise der Sozialdemokraten, vom Postengeschacher der Koalitionäre und vom Ausbleiben einer neuen Regierung. Mit einigem Geschick versucht die Partei daraus nun ein etwas längerfristiges Phänomen zu machen, das auch dann noch anhält, wenn sich eine neue große Koalition etabliert haben sollte.

So zielt die AfD-Fraktion im Bundestag derzeit sehr gezielt auf Widersprüche im Lager der Volksparteien. In dieser Woche liegt ein Antrag der Rechten vor, der ein Verbot der Vollverschleierung fordert — ganz auf der Linie der CSU und der CDU, die das auf ihrem Parteitag Ende 2016 in Essen ebenfalls beschlossen hatten. Selbst Angela Merkel war dafür. Um die Union, die wegen der Koalitionsvereinbarung mit der SPD nun nicht mehr frei ist, in die Bredouille zu bringen, verlangt die AfD eine namentliche Abstimmung über ihren Vorstoß.

Ein anderer Antrag lässt noch mehr aufhorchen. Die Rechtspopulisten verlangen die Zurückweisung einer EU-Vorgabe, welche den Kunden von Handwerkern eine längere Widerrufsfrist einräumt und die Auftragsvergabe aus Sicht der Firmen bürokratisiert. Man sei „die Partei der kleinen Gewerbetreibenden“, betonte Hansjörg Müller, Chef des AfD-Mittelstandsforums.

Es ist klar der Versuch, das Themenspektrum zu erweitern, nachdem man sich zuvor im Bundestag ziemlich einseitig auf das Thema Flüchtlinge konzentriert hatte. In ihren ostdeutschen Hochburgen wird die AfD bereits sehr aktiv von Gewerbetreibenden unterstützt. Das will sie ausbauen.

Schon in der letzten Sitzungswoche hatte es einen aus der Reihe fallenden Antrag gegeben, es ging um erleichterte Möglichkeiten, einzelne Wölfe abzuschießen. Viele Landwirte und Jäger rufen danach. Eine weitere wichtige Zielgruppe sind die ostdeutschen Arbeitnehmer. Der Thüringer Abgeordnete Jürgen Pohl hat eine Initiative namens „ALARM“ gegründet, was für „Alternativer Arbeitnehmerverband Mitteldeutschland“ steht. Die Forderungen, etwa zur Rente oder zum Mindestlohn, unterscheiden sich kaum von denen der Linkspartei. Außer, dass es bei „ALARM“ immer auch gegen Migranten geht: „Während SPD, CDU, Grüne und Linke diesen Menschen leichtfertig unser Sozialsystem opfern, müssen Menschen, die ein Leben lang in unser Sozialsystem eingezahlt haben, von Mini-Renten und Hartz IV leben“, heißt es im Gründungsaufruf.

Ein Problem dürfte werden, dass eine reine Klientelpolitik früher oder später mit den Interessen anderer Gruppen kollidiert, auch innerhalb der AfD: Die der Handwerker mit denen der Verbraucher, die der Jäger mit denen der Naturliebhaber und die der Arbeitnehmer mit denen der Unternehmer. Außerdem werfen die anhaltenden neonazistischen und rassistischen Äußerungen einzelner die Partei bei ihrem Versuch, seriöser zu werden, immer wieder zurück.

Die Hassrede des sachsen-anhaltinischen Landeschefs André Poggenburg an Aschermittwoch gegen Türken („Kümmelhändler“) wurde vom Vorstand zwar sofort medienwirksam „gerügt“. Allerdings ohne irgendwelche weiteren Konsequenzen. Und Fraktionsgeschäftsführer Baumann distanzierte sich am Dienstag vom Vorschlag des Baden-Württemberger Wolfgang Gedeon, die Stolpersteine für jüdische Nazi-Opfer nicht mehr zu verlegen. Ganz überzeugend fiel Baumanns Kritik ebenfalls nicht aus: „Also, ich habe kein Störgefühl bei dieser Stolpersteingeschichte.“