Atombosse legen härtere Bandagen an

Bundeskanzlerin Angela Merkel will regenerative Energien künftig stärker fördern, doch die Konzerne stellen sich quer.

Berlin. Die vier großen Atomkonzerne informierten das Kanzleramt direkt: Per Telefon verkündeten RWE, Eon, Vattenfall und EnBW jetzt den Stopp ihrer Millionenüberweisungen an den Fonds der Bundesregierung zur Förderung regenerativer Energien. Begründung: Wegen des Laufzeiten-Moratoriums zur Überprüfung der Atommeiler nach der Katastrophe von Japan sei den Zahlungen vorerst die Geschäftsgrundlage entzogen.

Für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre schwarz-gelbe Koalition dürfte die Nachricht nicht ganz überraschend gekommen sein. Doch sie könnte Sprengstoff bergen. Denn die Botschaft der Bosse heißt: Wir legen härtere Bandagen an. Und zwar dort, wo es Schwarz-Gelb richtig wehtun kann: beim Geld.

Für die Betreiber ist ihr Vorgehen nur konsequent. Denn ihnen drohen durch den neuen Kurs der Regierung und die laufenden Sicherheitsüberprüfungen bei den Meilern hohe Kosten für Nachrüstung. Ihre bisherigen „Gelddruckmaschinen“ würden weniger Gewinn abwerfen: Mit einem abgeschriebenen Meiler lässt sich rund eine Million Euro am Tag verdienen.

Merkel und ihre Koalition könnte ein Aus der Zahlungen der AKW-Betreiber in weitere Bedrängnis bringen — neben den anderen Baustellen wie dem ungeklärten Kurs im Libyen-Konflikt oder dem Umbauprozess beim Koalitionspartner FDP, von dem auch die Kanzlerin nicht weiß, wie er ausgeht. Denn auch wenn die Bundesregierung am Wochenende erst einmal gelassen auf die neue Ansage der Stromkonzerne reagierte, ist unklar, wie die Energiewende in Deutschland finanziert werden soll.

Die Koalition hatte geplant, die Gewinne der Konzerne mit der im Herbst 2010 beschlossenen Verlängerung der Laufzeit der Atommeiler kräftig abzuschöpfen. Mit Zusatzgewinnen von 50 Milliarden Euro rechnete die Regierung. Bis 2016 sollte die Kernbrennstoffsteuer jährlich 2,3 Milliarden Euro in den Haushalt spülen. Die Unternehmen wurden verdonnert, schon in diesem und im kommenden Jahr je 300 Millionen Euro in den Öko-Fonds zu zahlen — insgesamt rechneten die Koalitionäre hier mit Einnahmen von knapp 17 Milliarden Euro.

Das Geld ist für den Ausbau der erneuerbaren Energien gedacht — hier stehen Milliarden-Investitionen an. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) haben in ihrem Papier „Sechs Punkte für eine beschleunigte Energiewende in Deutschland“ aufgeschrieben, wohin die Einnahmen fließen könnten: in milliardenteure Förderprogramme.

Wo das Geld herkommen soll, darüber werden im Röttgen/Brüderle-Papier nur Andeutungen gemacht. Um bezahlbare Strompreise — für Bürger und Unternehmen ein Kernargument — zu gewährleisten, „muss der Ausbau kosteneffizient erfolgen“, heißt es da. Wirtschaft, Kommunen und Verbraucher könnten langfristig ihre Energiekosten durch Energie- und Stromsparen senken.