Milliarden-Programme für Energiewende
Berlin (dpa) - Die Bundesregierung will nach der Katastrophe von Fukushima die Energiewende weg von der Atomkraft mit Milliarden-Programmen beschleunigen. Offen ist, wie die Pläne von Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) und seinem Wirtschaftskollegen Rainer Brüderle (FDP) bezahlt werden sollen.
Schwieriger könnte der Umstieg auch werden, weil die Atomkonzerne dem Milliarden-Fonds zur Förderung regenerativer Energien den Geldhahn zugedreht haben.
Die vier großen Stromkonzerne und Atomkraftwerksbetreiber RWE, Eon, Vattenfall und EnBW begründeten den Zahlungsstopp mit der Bindung der Leistungen an die 2010 vereinbarte Laufzeitverlängerung für die Meiler. Die Regierung hatte die im Herbst beschlossene Laufzeitverlängerung nach der Atomkatastrophe in Japan bis Mitte Juni ausgesetzt und sieben ältere Meiler vorübergehend vom Netz genommen. Bis dahin soll die AKW-Sicherheit überprüft und entschieden sein, welche Kraftwerke wieder angefahren werden können.
Die Regierung reagierte am Wochenende gelassen auf die Ankündigung der Betreiber. Man werde auch die finanziellen Auswirkungen des Laufzeiten-Moratoriums prüfen, sagte eine Sprecherin. „Klarheit darüber wird es letztendlich erst mit der Neuausrichtung der Energiepolitik geben.“ Diese neue Ausrichtung „kann gegebenenfalls zu einer Modifizierung der Abmachung mit den Versorgern führen“. Die Regierung hatte insgesamt mit Einnahmen von 16,9 Milliarden Euro für den Ökofonds gerechnet.
Eine Vattenfall-Sprecherin sagte der dpa in Hamburg, die Zahlungen seien „vorübergehend eingestellt“. Ein RWE-Sprecher sagte, das Unternehmen werde seine monatlichen Raten „bis zur Klärung in dem Moratorium auf ein Sonderkonto zahlen“. Ein Sprecher des EnBW-Konzerns begründete den Stopp mit den Worten: „Das ist eine logische Folge des Moratoriums.“ Scharfe Kritik an den Konzernen kam von SPD, Grünen und Linken. Atomkraftgegner kündigten neue Massenproteste an.
Bei der anvisierten Energiewende soll die Windkraft eine Hauptrolle spielen. Das geht aus dem der dpa vorliegenden Sechs-Punkte-Papier Röttgens und Brüderles hervor. Noch im Frühjahr soll ein Sonderprogramm mit einem Volumen von 5 Milliarden Euro für Windparks vor der Küste starten. Das Programm zur CO2-Sanierung von Gebäuden - für 2011 sind knapp 450 Millionen Euro vorgesehen - soll schrittweise auf 2 Milliarden Euro aufgestockt werden. Den Energie- und Klimafonds wollen die Politiker schon 2012 auf eine Milliarde Euro erhöhen - 300 Millionen waren geplant. Die Forschung über „Netze und Speicher“ soll auf 500 Millionen Euro aufgestockt werden.
Röttgen sagte der „Super Illu“, die Koalition müsse sich endgültig von der im Herbst beschlossenen Laufzeitverlängerung verabschieden. Blackouts werde es wegen Überkapazitäten bei der Stromerzeugung nicht geben, selbst wenn die sieben alten Atommeiler abgeschaltet blieben.
Der CDU-Wirtschaftsrat warnte angesichts der Milliarden-Pläne vor einem Aufweichen des Sparkurses. Merkel und der designierte FDP-Chef Philipp Rösler hätten sich der Haushaltssanierung als oberstem Ziel verschrieben. „Dieses darf auch nicht für eine geplante Energiewende relativiert werden“, verlangte Wirtschaftsrat-Präsident Kurt Lauk.
CSU-Chef Horst Seehofer verband den Erfolg der Koalition mit dem Erfolg der Energiewende. „Dieses Projekt ist wichtiger als alles andere, was im Koalitionsvertrag steht“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“.
FDP-Generalsekretär Christian Lindner sagte dem „Hamburger Abendblatt“: „Unter den Aspekten der Wirtschaftlichkeit, der Versorgungssicherheit und der Klimaverträglichkeit halte ich es für unrealistisch, 2022 das letzte Kernkraftwerk vom Netz zu nehmen.“ Er erwarte aber, dass die weit überwiegende Zahl der sieben derzeit stillgelegten Altmeiler nicht mehr ans Netz gehe.
Zwischen Arbeitgebern und der SPD gab es einen ungewöhnlichen Schulterschluss. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt warnte im Kölner „Sonntag-Express“ vor negativen Folgen für die Wirtschaft durch einen raschen Atomausstieg. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel warf der Regierung in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vor, beim Ausstieg die Interessen der Industrie nicht ausreichend zu berücksichtigen.