Hagener Prozess gegen ehemaligen SS-Mann fortgesetzt

Tag zwei im Hagener NS-Prozess. Ein 92-Jähriger steht wegen der Erschießung eines niederländischen Widerstandskämpfers vor Gericht. Es zeichnet sich ein langwieriges Verfahren ab, nicht nur wegen des hohen Alters des Angeklagten.

Hagen (dpa) - Der Hagener Prozess gegen einen ehemaligen Waffen-SS-Mann ist am Donnerstag mit der Aussage eines Journalisten fortgesetzt worden. In einem Fernsehinterview mit dem Norddeutschen Rundfunk aus dem Jahr 2012 hatte der Angeklagte eingeräumt, während des Zweiten Weltkriegs am Tatort gewesen zu sein, als ein niederländischer Widerstandskämpfer hinterrücks erschossen wurde. Allerdings habe sein inzwischen verstorbener Begleiter geschossen und nicht er selbst, hatte er damals vor laufender Kamera angegeben.

Die Staatsanwaltschaft Dortmund wirft dem 92-jährigen Siert Bruins mindestens Mittäterschaft an der Ermordung des Niederländers Aldert Klaas Dijkema vor. Die SS-Männer sollen den Festgenommenen zu einem verlassenen Fabrikgelände im niederländischen Appingedam gebracht und nach der Aufforderung „Geh mal eben pissen“ mit vier Schüssen hingerichtet haben. Später gaben sie an, er sei auf der Flucht erschossen worden.

Staatsanwalt Andreas Brendel nannte den Fernsehbeitrag für die ARD-Sendung „Panorama“, der im Juli 2012 ausgestrahlt worden war, ein „starkes Beweismittel“. Außerdem habe der Journalist in seiner Aussage deutlich machen können, dass Bruins' Angabe, er sei entgegen bisheriger Einlassungen am Tatort gewesen, glaubhaft sei. „Wir wissen immer noch sehr wenig“, entgegnete dagegen Bruins' Verteidiger Klaus-Peter Kniffka nach der einstündigen Verhandlung am Landgericht. Dass Bruins möglicherweise am Tatort gewesen sei, belege noch lange keinen Mord oder vorsätzliche Mittäterschaft. Gleichzeitig äußerte er Bedenken wegen der Verhandlungsfähigkeit seines betagten Mandanten. Immer wieder hatte sich die Richterin bemüht, sich dem gesundheitlich beeinträchtigten und schwerhörigen Mann ausreichend verständlich zu machen.

„Er machte zwischenzeitlich den Eindruck, dass er gar nicht richtig reflektieren kann, worum es in diesem Prozess eigentlich geht“, sagte Rechtsanwalt Kniffka. Ein Gutachter hatte Bruins bescheinigt, drei Stunden pro Prozesstag verhandlungsfähig zu sein. Weil es keine lebenden Zeugen für die Tat gibt, stützt sich die Anklage auf alte Vernehmungsprotokolle und andere Dokumente. Der gebürtige Niederländer, der nach dem Krieg jahrzehntelang unbehelligt unter falschem Name in Westfalen lebte, äußerte sich im Prozess nicht zu dem Vorwurf.

Der nun erneut eines NS-Verbrechens Angeklagte, war bereits wegen Beihilfe zur Erschießung zweier jüdischer Brüder zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Davon hat er zwei Drittel verbüßt. Die Ermittlungen zur Erschießung Dijkemas waren eingestellt worden, weil die Tat ursprünglich als Totschlag und damit als verjährt eingestuft worden war. Mittlerweile wertet die Staatsanwaltschaft die Erschießung jedoch als Mord - und der verjährt nicht.