Politik Helmut Kohl will am Dienstag Viktor Orban treffen - Angela Merkel kann das nicht gefallen

Berlin. Es ist nicht so, dass Angela Merkel sich um Helmut Kohls Gunst nicht mühen würde. Als der Altkanzler im vergangenen Jahr 85 Jahre alt wurde, dankte sie ihm mit den Worten: "Dieser Kanzler des Vertrauens war für uns Deutsche ein Segen." Und 2012, als die CDU mit großem Brimborium den Beginn von Kohls Regentschaft 30 Jahre zuvor feierte, lobte ihn Merkel in seiner Anwesenheit: "Sie haben sich um unser Land und Europa verdient gemacht." Sie versucht schon lange, das Verhältnis etwas zu normalisieren.

Helmut Kohl (r, CDU) und Viktor Orban (l) am 30.06.2006.

Foto: Peter Endig

Doch er reagiert mit Liebesentzug und Vorwürfen.

Wird Merkel auf Parteitagen grundsätzlich, findet sie auch immer anerkennende Worte für Kohl. Sie weiß, dass die CDU diese gerne hört, der Altkanzler hat immer noch viele Fans. Merkel verkneift sich jeden Seitenhieb, jedes Revanchefoul, wenn Kohl sich mal wieder politisch einmischt; wenn er wie am Dienstag bei sich zuhause in Oggersheim einen ihrer schärfsten Widersacher in Europa trifft, den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban. Das kann ihr nicht gefallen. Die Bewertung solcher Vorgänge seitens des Regierungssprechers klingen dann aber so: "Wir freuen uns, wenn sein Zustand es erlaubt, regen Anteil am politischen Leben zu nehmen." Merkel hat sich halt Gelassenheit verordnet. Im Kanzleramt aber soll man wenig erfreut sein, dass "der Alte" keine Ruhe gibt.

Angela Merkel galt lange als Kohls "Mädchen", er machte sie nach der Wende 1990 überraschend zur Familien-, vier Jahre später zur Umweltministerin. Das waren die guten Zeiten in der Beziehung beider. Im Dezember 1999 folgten die schlechten Zeiten, das Zerwürfnis: Der Ex-Kanzler weigerte sich, die Namen der Geldgeber illegaler Parteispenden offenzulegen. Merkel, damals CDU-Generalsekretärin, griff ihn scharf an und setzte ihm den Stuhl vor die Tür. Kurz darauf legte Kohl auf Druck den Ehrenvorsitz in der Partei nieder. Viele Jahre später schmetterte Merkel, inzwischen selbst Kanzlerin, Vorschläge ab, Kohl den Ehrenvorsitz wieder anzutragen. Damit war das Band endgültig zerschnitten. Wie sehr der Pfälzer sein einstiges politisches Ziehkind zu verachten scheint, hat der Journalist Heribert Schwan aufgeschrieben, der 2001 und 2002 Tonbandaufnahmen mit Kohl machte. "Diese Dame ist ja wenig vom Charakter heimgesucht", zitiert Schwan Kohl. Der Altkanzler hat sich allerdings mehrfach juristisch gegen den Autor gewehrt, auch das Zitat gilt als nicht autorisiert. Wie dem auch sei, Kohl lässt es sich nicht nehmen, die Kanzlerin immer wieder zu kritisieren. In der Eurokrise 2011 warf er ihr vor, keinen Kompass zu haben. Jetzt hat er erneut ein Buch geschrieben, in dem er die Grenzöffnung für Flüchtlinge moniert. "Die Lösung liegt in den betroffenen Regionen. Sie liegt nicht in Europa. Europa kann nicht zur neuen Heimat für Millionen Menschen weltweit in Not werden", schreibt er im Vorwort. Eine klare Kritik an Merkel Kurs in der Flüchtlingspolitik.

Ob ihr das schaden wird? Wohl nicht. Eher werfen die Attacken ein schlechtes Licht auf den früheren CDU-Patriarchen selbst. Altersmilde ist er nicht geworden, auch scheint die Zeit keine Wunden geheilt zu haben. Kohl lebt seit einem Sturz mit erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen in seinem Haus in Oggersheim. Man weiß nicht genau, inwieweit er die Tonlage noch selbst bestimmt, oder seine Frau Maike Kohl-Richter. Sie verteidigt mit Vehemenz sein Erbe. Merkel war stets darum bemüht, versöhnlich mit ihm umzugehen - ihm fiel das deutlich schwerer. Auch haben es nicht alle ehemaligen Weggefährten so gehalten wie sie. Der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler, der ehemalige Arbeitsminister Norbert Blüm und der jetzige Finanzminister Wolfgang Schäuble haben mit Kohl gebrochen. Und er mit ihnen. So leicht kann es sich Merkel aber nicht machen als amtierende Regierungschefin und CDU-Vorsitzende.