Investitionen sollen Europa aus der Krise helfen
Berlin (dpa) - Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will die strenge Schuldenbremse für die Länder lockern. In den Verhandlungen über eine Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen schlägt Schäuble vor, dass die teils mit erheblichen Defiziten kämpfenden Länder auch nach 2020 weiter Kredite aufnehmen dürfen.
Das geht aus einer bekanntgewordenen Unterlage von Bund und Ländern hervor. Das Angebot für eine Entschärfung ist aber an Bedingungen geknüpft - etwa ein härteres Vorgehen gegen Schuldensünder.
Aus mehreren Ländern kam Ablehnung, einige reagierten zunächst zurückhaltend. Auch sei dies nur ein weiterer Vorschlag im Rahmen des bis Ende 2017 angestrebten Gesamtpaketes, hieß es. Das Bundesfinanzministerium erklärte lediglich, es gehe um eine Vielzahl von Themen. „Wir reden über alle möglichen Fragen“, sagte eine Ministeriumssprecherin. Die im Grundgesetz festgeschriebene Schuldenregel werde aber nicht geändert, stellte sie klar.
Die Länder dürfen von 2020 an keine neuen Kredite aufnehmen. Für den Bund gilt die Schuldenbremse ab 2016. Er darf aber in engen Grenzen Schulden machen - erlaubt sind 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung. Aktuell wären das zehn Milliarden Euro. „Der Bund bietet an, den Ländern einen Teil seines Kreditfinanzierungsspielraums zur Verfügung zu stellen“, heißt es in einer der dpa vorliegenden Unterlage, aus der zuvor die „Süddeutsche Zeitung“ zitiert hatte. Eine gemeinsame Kreditaufnahme mit den Ländern lehnt der Bund ab.
Diskutiert wird, dass der Bund künftig nur noch Kredite in Höhe von 0,2 Prozent aufnehmen darf, während den Ländern 0,15 Prozent zur Verfügung stehen. Die Höhe der möglichen Gesamtverschuldung des Staates bliebe demnach gleich. Als Gegenleistung will Schäuble den Stabilitätsrat von Bund und Ländern in eine echte Kontrollbehörde mit stärkeren Eingriffsrechten umwandeln. Das Gremium soll künftig Sanktionen bei Verstößen gegen die Schuldenbremse aussprechen. Es soll auch das Recht erhalten, gegen einen Haushalt mit zu hoher Neuverschuldung vor dem Verfassungsgericht klagen zu dürfen.
Der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD) reagierte zurückhaltend. In den Arbeitsgruppen von Bund und Ländern würden alle denkbaren Optionen aufgeführt und bewertet. Es mache wenig Sinn, Mosaiksteine aus Papieren herauszubrechen. Sachsen-Anhalts Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) lehnte den Vorstoß ab. Er halte eine Lockerung der Schuldenbremse für keine gute Botschaft.
Baden-Württembergs grün-rote Landesregierung sprach sich ebenfalls gegen eine Lockerung aus. „Wenn Herr Schäuble jetzt scheinbar die Schuldenbremse aufweichen will, bevor sie überhaupt in Kraft ist, führt er alle Sparbemühungen in den Ländern ad absurdum“, sagte Finanzminister Nils Schmid (SPD) der „Südwest Presse“ (Samstag). Hamburg will auch bei einer Lockerung keine neuen Kredite aufnehmen.
Die Ressortchefin von Mecklenburg-Vorpommern, Heike Polzin (SPD), warnte vor einem verdächtigen Angebot. „Das vermeintliche Entgegenkommen des Bundesfinanzministers ist ein Danaergeschenk.“ Wie das hölzerne Pferd für die Trojaner könnte sich auch Schäubles Geschenk als schädlich erweisen. Ähnlich äußerte sich Polzins Kollegin in Kiel, Monika Heinold (Grüne): „Das ist ein vergiftetes Angebot, um sich vor der Lösung des Konflikts zu drücken.“
Grünen-Expertin Anja Hajduk warnte, Schäuble setze damit ein falsches Signal. „Realistisch betrachtet bringt eine Aufteilung der Kreditaufnahme zwischen Bund und Ländern wenig Entlastung.“ Wichtiger wären aus ihrer Sicht konkrete Vorschläge zu den Altschulden und zum Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder.
Der Bund ist zudem offen für Zu- und Abschlagsrechte bei Ertragsteuern wie der Lohn- und Einkommensteuer und damit mehr Steuerautonomie von Ländern und Kommunen. Die könnten dann mit günstigeren eigenen Steuersätzen werben, klamme Länder und Städte könnten aber auch Steuersätze anheben.