Gelb-grüne Scharmützel Jamaika will gegen Wohnungskrise angehen
Berlin (dpa) - Eine Jamaika-Koalition will angesichts stark steigender Mieten mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen.
„Unser Ziel ist es, für ausreichenden bezahlbaren und geeigneten Wohnraum für alle zu sorgen und auch Eigentumsbildung gerade für Familien zu ermöglichen“, heißt es in einem von CDU, CSU, FDP und Grünen vorgelegten Leitlinien-Papier. Wie erwartet gab es bei den umstrittenen Themen Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie Wirtschaft und Verkehr noch keine gemeinsamen Positionspapiere. Sie sollen an diesem Donnerstag vorgelegt werden.
Der Staatsminister im Kanzleramt, Helge Braun (CDU), betonte bei einem gemeinsamen Auftritt aller Parteimanager, für die CDU sei die stärkere Förderung von Familien etwa über ein Baukindergeld sehr wichtig. Alle Seiten seien sich zudem einig gewesen, die Rolle der Kommunen zu stärken. Wo Belastungen für die Städte und Gemeinden fortbestünden, werde sich eine Jamaika-Koalition dafür einsetzen, auslaufende Bundes-Förderungen fortzusetzen.
Laut FDP-Generalsekretärin Nicola Beer muss die wirtschaftliche Infrastruktur im ländlichen Raum gestärkt werden. So könne auch eine bessere Versorgung mit Ärzten oder mit Schulen sichergestellt werden. Es seien trotz guter Fortschritte noch etliche Fragen offen. So müsse die Bremse beim Bauen durch zu starke Reglementierung gelöst werden. Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner unterstrich, die Grünen wollten eine wirksame Mietpreisbremse. Hier gebe es noch Differenzen. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte, die Union wolle in einem Jamaika-Bündnis erreichen, in den nächsten Jahren 1,5 Millionen neue Wohnungen zu bauen.
Scheuer betonte das CSU-Ziel, eine deutsche Leitkultur als Grundlage für Integration einzuführen. Er sei überzeugt, dass nur durch „Leitplanken in unserer Gesellschaft, eine Leitkultur, Integration gelingen kann“. Basis sei das Grundgesetz. Kellner hielt dem entgegen, er habe sich gefreut, dass der Begriff Leitkultur ausdrücklich nicht in die Papiere aufgenommen worden sei.
FDP und Grüne hatten sich am Rande der Sondierungen Scharmützel in den Themen Migration und Agrar geliefert. FDP-Chef Christian Lindner hielt den Grünen in der „Bild“-Zeitung vor, mit ihrer Flüchtlingspolitik in der Bevölkerung nicht mehrheitsfähig zu sein. Die Grünen-Position sei „ein Konjunkturprogramm für die AfD“. Der Familiennachzug müsse ausgesetzt bleiben, „weil wir in Schulen und beim Wohnen an der Grenze sind“.
Grüne wie Parteichefin Simone Peter und der Europapolitiker Reinhard Bütikofer keilten zurück. Peter schrieb auf Twitter: „Lindner ledert gegen Grüne. Für's Zurückledern ist das dann aber doch zu flach.“ Bütikofer schrieb in dem Internet-Kurznachrichtendienst: „Sehe nicht, wozu diese #Lindner-Breitseite gut sein soll. Dass er uns so beeindruckt, kann er nicht glauben.“
Lindner bekräftigte in der „Bild“-Zeitung, mit der FDP werde es keine Fahrverbote für Diesel geben. Man müsse sich „notfalls bei noch strengeren EU-Grenzwerten mehr Zeit lassen“. Die Luft sei „schon so gut“. Der Verkehr solle durch Elektrifizierung und Digitalisierung ökologischer gemacht werden, etwa mit intelligenten Verkehrsleitsystemen. Der FDP-Chef begrüßte, dass die Grünen ihre Forderung nach einem Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor bis 2030 in den Verhandlungen bislang nicht „ernsthaft vorgetragen“ hätten. Grünen-Geschäftsführer Kellner sagte ohne Lindner zu nennen, er habe gehofft, dass es „keine Pöbeleien“ via Medien geben werde.
Beim Thema Landwirtschaft kam es nach Angaben aus Teilnehmerkreisen zum Schlagabtausch zwischen Scheuer und dem Grünen-Politiker Robert Habeck. Der Umweltminister in der schleswig-holsteinischen Jamaika-Koalition habe dafür plädiert, zunächst keine gemeinsamen Agrar-Leitlinien zu Papier zu bringen. Daraufhin habe Scheuer ihm eine destruktive Verhandlungsführung vorgeworfen. Habeck ist Verhandlungsführer der Grünen beim Thema Landwirtschaft.
Habeck sagte der dpa: „Scheuer ist immer beleidigt, wenn man mal eine andere Meinung hat.“ Dies sei „wirklich nervig“. Habeck sprach von langen und wirklich anstrengenden Verhandlungen. „Wir sind noch nicht über den Berg“, fügte er hinzu.
Die Spitzen von CDU, CSU, FDP und Grünen hatten das Thema Migration und Flucht vorerst von der Tagesordnung genommen und zur Chefsache gemacht. Die Parteichefs seien sich einig, dass die Hürden bei diesem Thema nur in ganz kleiner Runde beiseite geräumt werden könnten, war in Berlin zu erfahren. Mit der Verschiebung soll verhindert werden, dass die Verhandlungen zu den übrigen Sachthemen unnötig ausgebremst werden. Lindner sagte den Zeitungen des Redaktionsnetzwerkes Deutschland, Migration und Klimapolitik sollten „erst einmal detailliert im kleinen Kreis besprochen werden“.
An diesem Donnerstag wollen die Unterhändler über die Themenkomplexe Außen, Verteidigung, Entwicklungszusammenarbeit, Handel sowie Familie, Frauen, Senioren, Jugend diskutieren.