Katrin Göring-Eckardt: „Einsparungen reichen nicht“

Die Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt verteidigt die geplanten Mehrbelastungen für Gutverdiener.

Berlin. Die Spitzenkandidatin der Grünen für die kommende Bundestagswahl, Katrin Göring-Eckardt, sieht in den angekündigten Steuererhöhungen ihrer Partei einen Ausdruck politischer Ehrlichkeit.

Frau Göring-Eckardt, bislang hat keine Partei mit der Ankündigung von Steuer- und Abgabenerhöhungen eine Wahl gewonnen. Warum sollte Ihnen das gelingen?

Katrin Göring-Eckardt: Für 90 Prozent der Berufstätigen würde die Steuer sinken. Wir wollen nur die stärker beteiligen, die es sich leisten können. Da sind wir ehrlich. Wenn man tatsächlich in Bildung und Infrastruktur, also Kitas, Schwimmbäder oder Straßen, investieren und die Schulden abbauen will, dann muss man auch sagen, dass Einsparungen und Streichungen unsinniger Subventionen nicht reichen. Ich erlebe sehr viel Zustimmung für unsere Haltung.

Aber die Steuerquellen sprudeln so stark wie nie, die Sozialkassen sind randvoll. Da klingt das grüne Abkassieren wenig überzeugend.

Göring-Eckardt: Was heißt hier abkassieren? Steigende Einnahmen jetzt sind gut und wichtig, aber langfristig ist das jetzige Steuersystem weder solide noch solidarisch. Und wahr ist auch, dass der Staat trotzdem immer noch Schulden aufnimmt, wir also auf Kosten künftiger Generationen leben. Deshalb muss man nicht nur über die Streichung unsinniger Ausgaben wie das Betreuungsgeld reden, sondern auch über staatliche Mehreinnahmen. Und hier sagen wir: Zehn Prozent der Einkommensbezieher sollen sich finanziell stärker am Gemeinwesen beteiligen.

Wann ist jemand für Sie reich?

Göring-Eckardt: Besonders wohlhabend sind die zehn Prozent, die 50 Prozent des Reichtums in Deutschland auf sich vereinen. Die können einen stärkeren Beitrag für die Gesellschaft leisten.

Nach dem grünen Wahlprogramm ist reich, wer 80 000 Euro verdient, denn ab diesem Einkommen soll ein Spitzensteuersatz von 49 Prozent fällig werden.

Göring-Eckardt: Es geht um das zu versteuernde Einkommen von 80 000, Freibeträge und Sozialabgaben kommen ja noch dazu. Das ist dann schon ein Jahreseinkommen, das nur die wenigsten haben. Und dann gilt der Spitzensteuersatz auch nur ab dem ersten Euro über dieser Grenze — also hätte ein Alleinverdiener mit einem Bruttoeinkommen von 90 000 Euro einen durchschnittlichen Steuersatz von 34 Prozent.

Die Grünen wollen das Ehegattensplitting abschaffen und die Beitragsbemessungsgrenze für die Krankenversicherung drastisch anheben. Das trifft doch eindeutig die Mittelschicht.

Göring-Eckardt: Eben nicht, denn in unserem Konzept ist auch eine Anhebung des Grundfreibetrags vorgesehen. Wie gesagt: Man muss als Alleinstehender schon fast 90 000 Euro im Jahr verdienen, um auf einen durchschnittlichen Steuersatz von 34 Prozent zu kommen.

Und was ist mit den Ehepaaren und Familien?

Göring-Eckardt: Das Ehegattensplitting wollen wir schrittweise abschmelzen und die Mittel für die Förderung von Kindern zielgenauer einsetzen. Parallel dazu soll es aber einen Ausgleich für jene geben, die schon Kinder im Haus haben. Das heißt, was der Bund beim Ehegattensplitting spart, geht über unsere Kindergrundsicherung an die Familien zurück. Richtig ist aber auch, dass die Steuerabgabe ansteigt, wenn bei einer Alleinverdiener-Ehe das Einkommen bei 100 000 Euro liegt.

Wer bei den grünen Steuerplänen ungeschoren davon kommt, wird laut Programm mit einem Tempolimit auf Autobahnen bedacht. Ist das nicht doch etwas zu viel Regulierung und Bevormundung?

Göring-Eckardt: Noch einmal: Für 90 Prozent sinkt die Steuerabgabe. Das ist ein klares Angebot für mehr Gerechtigkeit im Land. Und ein Tempolimit auf Autobahnen ist im Interesse eines besseren Verkehrsflusses und vermeidet schwerste Unfälle, und natürlich ist es auch gut für die Umwelt — das ist das Gegenteil von Bevormundung.