Merkel und Euro-Partner lassen Athen nicht hängen - Massenproteste
Athen (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Europartner lassen das von der Pleite bedrohte Griechenland nicht fallen. Bei ihrem ersten Athen-Besuch seit Beginn der Euro-Krise bekräftigte Merkel am Dienstag: „Ich wünsche mir, dass Griechenland in der Eurozone bleibt.“
Der sechsstündige Aufenthalt war von Massenprotesten begleitet. Die Polizei setzte Tränengas, Schlagstöcke und Blendgranaten gegen Demonstranten ein. EU-Währungskommissar Olli Rehn kündigte an, dass die nächste Hilfsrate von 31,5 Milliarden Euro spätestens im November an Athen ausgezahlt werde. Der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras sagte den internationalen Geldgebern zu, dass Griechenland alle Zusagen für die Hilfen erfüllen werde. Die Kanzlerin sowie der IWF, die Euro-Partner und die EZB bescheinigten Athen Fortschritte. Die Geldgeber setzten Athen aber eine Frist bis 18. Oktober, um die vor Monaten vereinbarten Reformmaßnahmen vollständig umzusetzen.
Für Merkels Besuch gab es umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen. Nach Angaben von Gewerkschaften protestiertem 50 000 Menschen gegen den Sparkurs sowie Merkels Krisenstrategie. Die Polizei sprach von weniger als 40 000 Teilnehmern. Das Regierungsviertel war weiträumig abgesperrt, U-Bahnstationen sowie Zufahrtstrecke wurden geschlossen.
Rund 7000 Polizisten waren im Einsatz. Bei zwei Kundgebungen in der Innenstadt waren mehrere diffamierende und beleidigende Plakate mit Nazi-Vergleichen zu sehen. Einige Demonstranten trugen SS- und Wehrmachtsuniformen, mehrere Hakenkreuzfahnen wurden verbrannt. Zu gewalttätigen Ausschreitungen kam es aber nicht, bis zum Abflug der Kanzlerin am Abend beruhigte sich die Lage.
Merkel sprach von einer ausgesprochen schwierigen Phase, die das Lande durchmache. Viele Menschen litten, ihnen werde viel abverlangt. Sie betonte auch: „Ein großes Stück des Weges ist zurückgelegt.“ Dies werde sich für Griechenland lohnen: „Es wird ein längerer Weg sein. Aber ich glaube, dass wir Licht sehen werden am Ende des Tunnels.“ Deutschland wolle dabei ein guter Partner und Freund sein.
Die Kanzlerin kündigte an, dass zwei unter deutscher Betreuung stehende EU-Projekte starten können. Dabei geht es um den Aufbau der regionalen Verwaltung und Verbesserungen im Gesundheitswesen in einem Volumen von 30 Millionen Euro. Merkel betonte, sie sei nicht als Lehrerin oder Notengeberin nach Athen gekommen: „Wir wissen aus Deutschland, wie lange es dauert, eine Reform umzusetzen.“
Merkel nannte weiter keinen Termin für die Vorlage des Troika-Berichts der Geldgeber. „Der Troika-Bericht kommt dann, wenn er fertiggestellt ist. Auch hier gilt, dass Gründlichkeit vor Schnelligkeit geht.“ Die Troika überwacht im Auftrag von EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und IWF die Reformbemühungen.
Samaras sagte zu, sein Land werde die Verpflichtungen erfüllen. „Alle, die gewettet haben, dass Griechenland untergeht (...), werden diese Wette verlieren.“ Wesentliche Voraussetzung sei, dass Griechenland aus der Krise komme. „Das griechische Volk blutet für diese Reformen“, sagte der seit Juni amtierende konservative Regierungschef. „Aber das griechische Volk ist gewillt, in der Euro-Zone zu bleiben.“ Athen verlange nicht mehr Geld und keine besonderen Zugeständnisse.
Rehn bestätigte, dass eine Verschiebung von Sparzielen debattiert werde. Details nannte er nicht. Griechenlands Regierungschef Antonis Samaras hatte mehrfach gesagt, er hoffe, dass sein Land das Defizitziel von drei Prozent der Wirtschaftsleistung erst 2016 erfüllen muss. Das wären zwei Jahren später als geplant.
Bisher haben die Kreditgeber das neue Sparprogramm Athens von 14,5 Milliarden Euro noch nicht gebilligt. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte, Athen müsse vor der Auszahlung der Hilfstranche noch 89 Vorleistungen erfüllen. Dazu gehört laut Diplomaten das Budget für das kommende Jahr. „Wir haben großen Respekt für die Probleme, die Griechenland hat“, sagte Schäuble. EZB-Chef Mario Draghi sieht hoffnungsvolle Ansätze in Griechenland.
Das hoch verschuldete Land besorgte sich mit einer Geldmarktauktion kurzfristig frisches Geld in Höhe von 1,3 Milliarden Euro. Der Zinssatz der Papiere mit einer Laufzeit von einem halben Jahr habe bei 4,46 Prozent gelegen, teilte die Schuldenagentur PDMA mit.