Seehofer eckt mit Kritik an Gaucks Flüchtlingsappell an

Berlin/München (dpa) - CSU-Chef Horst Seehofer hat eine Äußerung von Bundespräsident Joachim Gauck zur Flüchtlingspolitik kritisiert und damit in Berlin einen Sturm der Empörung provoziert.

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Gauck hatte gesagt, als Lehre aus der Vertreibung von Millionen Deutschen vor 70 Jahren sollten die Deutschen Flüchtlingen heute mehr Hilfe gewähren. Dazu sagte der bayerische Ministerpräsident dem „Münchner Merkur: „Ich weiß aus vielen Gesprächen mit Heimatvertriebenen, dass sie solche Vergleiche nicht gerne hören.“ Die Fluchtursachen seien jetzt andere. „Jetzt geht es auch um massenhaften Asylmissbrauch. Ich finde diese Diskussion nicht angezeigt.“

Seehofer forderte, konsequenter gegen Asylmissbrauch vorzugehen und mehr abgelehnte Bewerber zurückzuschicken. Spätestens im September müssten weitere Balkan-Staaten zu sicheren Drittstaaten erklärt und die Visa-Pflicht für Serben, Montenegriner, Mazedonier, Bosnier und Albaner eingeführt werden.

Von Grünen, Linken und auch dem Koalitionspartner SPD hagelte es Kritik. Deutschland brauche „jede fleißige Hand und jeden schlauen Kopf“, sagte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) der „Leipziger Volkszeitung“ (Freitag). Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) sagte der Zeitung, das Verhalten des CSU-Chefs sei „fast ekelhaft“. Mit seiner Kritik an Gauck und seinem Hinweis auf „massenhaften Asylmissbrauch“ dienten sich Seehofer und die CSU „der AfD und den Kräften Rechtsaußen an“.

Die CSU ätzte zurück. Generalsekretär Andreas Scheuer erklärte: „Die Empörungsspezialistin der Republik, Claudia Roth, wäre gut beraten, ihr Hirn einzuschalten, bevor sie wild gegen die Flüchtlingspolitik der CSU polemisiert.“ Um die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung gegenüber schutzbedürftigen Flüchtlingen aufrechtzuerhalten, müssten Probleme sachlich ausgesprochen werden.

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi, erklärte, gerade in Zeiten, wo sich „mancherorts brutaler Protest gegen Flüchtlinge zusammenrottet“, sollten Politiker ihre Worte wohl wägen, „statt wie Horst Seehofer Ressentiments zu schüren und Stammtischparolen hinauszuposaunen“.

Gauck hatte am vergangenen Samstag in einer Rede zum ersten bundesweiten Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung gesagt: „Ich wünschte, die Erinnerung an die geflüchteten und vertriebenen Menschen von damals könnte unser Verständnis für geflüchtete und vertriebene Menschen von heute vertiefen.“

Der Präsident des Bundes der Vertriebenen, Bernd Fabritius, sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Heimatvertriebenen fühlten besonders stark mit den Opfern heutiger Kriegsgeschehen. Er betonte aber, Vergleiche, „die Zuwanderung von heute mit dem ethnisch bedingten Vertreibungsdruck der Nachkriegszeit gleichsetzen, sind verletzend, weil sie das Vertreibungsunrecht relativieren“. Deshalb stimme er seinem Parteikollegen Seehofer zu. Fabritius nahm gleichzeitig aber auch den Bundespräsidenten in Schutz. Er sagte, Gauck habe in seiner Rede zu Recht darauf hingewiesen, dass etwa die Hälfte der Asylbewerber aus Staaten kommt, die als sichere Herkunftsstaaten eingestuft worden sind.