Generalsekretärin Yasmin Fahimi: Die CDU verwaltet nur

Die Generalsekretärin der SPD spricht über Flüchtlingspolitik, das Verhältnis zum Koalitionspartner und die Perspektive ihrer Partei für 2017.

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi.

Foto: dpa

Frau Fahimi, macht Deutschland in der Flüchtlingspolitik im europäischen Vergleich aus Ihrer Sicht eigentlich genug?

Yasmin Fahimi: Wir können mit Stolz sagen, dass Deutschland seiner Verantwortung gerecht wird. Natürlich fordern uns die Flüchtlingszahlen, sie überfordern uns aber nicht. Die Hauptlast wird von den Staaten getragen, die direkt an die Krisenregionen grenzen und wo Millionen von Flüchtlingen in Lagern leben. Die Europäische Union muss jetzt aber für eine gerechtere Verteilung sorgen, wir brauchen faire Quoten. Es geht nicht an, dass sich 20 EU-Staaten komplett weigern, Flüchtlinge aufzunehmen, und das Gros des Flüchtlingsstroms von Schweden, Deutschland und Frankreich aufgefangen wird.

Der Ton in der Großen Koalition wird zunehmend rauer, ist auch das ein Streitthema?

Fahimi: Wir haben unterschiedliche Standpunkte bei der Frage der Finanzierung. Als SPD beharren wir seit Monaten darauf, dass die Versorgung der Flüchtlinge eine nationale Aufgabe ist - und der Bund die Kommunen insbesondere bei den Kosten für die Unterbringung der Menschen unterstützt, die zu uns kommen. Wir dürfen es nicht riskieren, die generell positive Stimmung gegenüber Flüchtlingen in unserem Land wegen eines Streits über die finanzielle Zuständigkeit zu gefährden. Die Städte und Gemeinden dürfen nicht vor die Wahl gestellt werden: Baue ich ein Flüchtlingsheim oder saniere ich das Schwimmbad? Sonst könnte die Stimmung kippen. Deshalb brauchen die Kommunen finanzielle Hilfe. Bislang trägt der Bund nicht mal zehn Prozent der Gesamtkosten. Der Flüchtlingsgipfel hat jetzt erste Signale gegeben für eine dauerhafte strukturelle Entlastung der Kommunen. Diesem Signal müssen jetzt aber rasch konkrete Schritte folgen.

Sie haben gerade die gute Regierungsarbeit der SPD gelobt. Beim Wähler, betrachtet man die Umfragen, kommt das offenbar nicht an.

Fahimi: Das sehe ich anders.

Aber die Wähler sehen es offenbar nicht anders.

Fahimi: Umfragen belegen, dass die Politik, die wir in den vergangenen 18 Monaten gemacht haben, Zustimmungsraten von 50 bis 90 Prozent erfährt. Viel stärker als Umfragen interessieren mich aber Ergebnisse - und die können sich sehen lassen. Wir haben die Wahlen in Brandenburg, Hamburg, Bremen gewonnen, bei der Europawahl satte 6,5 Prozentpunkte zugelegt. Wir regieren in 14 von 16 Bundesländern, stellen neun Ministerpräsidenten, und neun von zehn Oberbürgermeistern in deutschen Großstädten. Die SPD ist auf einem guten Weg.

Ihren Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel sieht man jetzt noch nicht zwingend 2017 im Kanzleramt.

Fahimi: Abwarten. Ich bin überzeugt, dass die Sozialdemokratie auch über das Jahr 2017 hinaus eine wesentliche Verantwortung für den Bund tragen wird. Auch in anderer Konstellation als in einer Großen Koalition? Fahimi: Das entscheidet sich nach der Wahl 2017.

Sie selbst haben mal gesagt, sie könnten sich Regierungsarbeit mit der Linkspartei vorstellen.

Fahimi: Beim Bundesparteitag 2013 haben wir einen Beschluss gefasst zu möglichen Regierungsbündnissen mit der Linkspartei - und dabei eine ganze Reihe von Bedingungen formuliert. Einige ihrer Kollegen bezeichneten das als Öffnungsbeschluss, ich nenne es einen Bedingungsbeschluss. Ob es irgendwann auf Bundesebene zu einer Koalition auch mit der Linkspartei kommt, liegt weniger an uns als an der Linken.

Wie beurteilen Sie denn die Entwicklung der Linkspartei?

Fahimi: In den vergangenen anderthalb Jahren hat sie sich eher noch von uns wegentwickelt. Außenpolitisch hat sich die Linke mit ihren Positionen zu Syrien, Irak und der Ukraine komplett ins Abseits befördert. Intern gewinnen die Betonköpfe der kommunistischen Plattform an Macht. Schon die Frage, mit welchen Personen man es nach dem Rückzug von Gregor Gysi zu tun hat, kann ich nicht recht beantworten. Deshalb fehlt mir heute schlicht die Fantasie, mir ein solches Bündnis für 2017 vorzustellen.

Es gibt Beobachter, die sagen, die SPD habe in der ersten Hälfte der Legislaturperiode ihr Pulver verschossen.

Fahimi: Diese Aussage hören wir seit dem zweiten Monat der Regierungszeit.

Dann sind Sie doch gut vorbereitet auf eine Antwort.

Fahimi: Natürlich haben Sie recht, dass die SPD schon eine ganze Reihe von Projekten umgesetzt hat. Wir haben aber einen verdammt guten Koalitionsvertrag verhandelt, der noch wichtige Punkte enthält: Wir wollen den Missbrauch von Leih- und Werkverträgen einschränken, das Teilhabegesetz qualitativ ausbauen, um Behinderte noch besser zu integrieren. Wir wollen in der Familienpolitik einiges voranbringen und Lohntransparenz für faire Bezahlung zwischen Männern und Frauen schaffen. Und bei der Energiewende stehen auch noch eine Menge Entscheidungen an, nachdem Schwarz-Gelb das Thema komplett verschlafen hat.

Waren Sie beim jüngsten Parteikonvent in der Frage Vorratsdatenspeicherung sicher, dass Ihnen die Partei folgen wird? Sigmar Gabriel erschien durchaus nervös.

Fahimi: Mir kam er sehr gelassen vor. Ich war zuversichtlich, dass die SPD die Arbeit von Heiko Maas unterstützt. Und ich war sicher, dass wir eine Debatte über die Vorratsdatenspeicherung qualitativ auf höchstem Niveau führen würden. Wir hatten eine intensive Debatte und anschließend ein klares Ergebnis - so funktioniert gute Politik. Andere Parteien trauen sich solche Debatten gar nicht zu.

Müssten Sie die innenpolitische Zurückhaltung der Kanzlerin als SPD-Generalsekretärin nicht stärker angreifen?

Fahimi: Nein, wir müssen einfach den Raum nutzen, der sich aus dieser Zurückhaltung ergibt für die SPD. Mich wundert es schon, wie sehr sich die Union seit Jahren als reiner Verwalter gefällt und dass sie jeglichen Gestaltungsanspruch aufgegeben hat: Vielleicht ist das ja der Kern des deutschen Konservatismus. Als SPD wollen wir mit unseren Themen punkten: beispielsweise mit einer modernen Familienpolitik, bei der wir niemandem ein Lebensmodell vorschreiben, sondern Familien darin unterstützen, wie sie sind.

Ihr Gegner bleibt auf diesem Feld die CSU.

Fahimi: Nicht wirklich, denn die CSU hat ja überhaupt kein Familienkonzept. Auf Bundesebene ist Seehofer mit seiner Partei ja nur mit zwei Pannenthemen sichtbar: dem Betreuungsgeld und der Pkw-Maut. Beides ist nun wahrlich keine zukunftsweisende Politik.