Spitzentreffen der GroKa: Wo Niederlagen zu künftigen Siegen werden

Der Koalitionsausschuss einigt sich nur in nicht wesentlichen Themen. Dennoch sind alle zufrieden — Schulz war zum ersten Mal dabei.

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Berlin. Das wohl letzte Spitzentreffen der Großen Koalition ging aus wie das Spiel „Verkehrte Welt“. Obwohl man sich über die meisten der 25 strittigen Punkte nicht einigen konnte, waren hinterher alle zufrieden. Ganz besonders die Sozialdemokraten, die in den bis halb Drei in der Frühe dauernden Verhandlungen am wenigsten durchsetzen konnten.

„Alles, was mit Gerechtigkeit zu tun hat, war mit der Union nicht zu machen“, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann am Morgen danach. Das müsse die SPD nun eben mit einem neuen Kanzler Martin Schulz durchsetzen. Tatsächlich hatte die Union im Kanzleramt zentrale Forderungen der Genossen scheitern lassen. Für die SPD-Abgeordneten, die früh um acht zu einer Sondersitzung unter der Reichstagskuppel zusammenkamen, war das jedoch kein Beinbruch: „Besser als laue Kompromisse“, frohlockte der Rheinland-Pfälzer Gustav Herzog. „Wir brauchen ja auch noch was für den Wahlkampf“. So redeten viele. Selbst die Tatsache, dass die Union beim Thema Teilzeit erstmals eine Passage im Koalitionsvertrag gebrochen hatte, wollte Oppermann nicht allzu hoch hängen.

Es gab auch Einigungen, aber eher bei Wunschthemen der Union, die fast alle mit der inneren Sicherheit zusammenhängen. Auffällig war, dass Oppermann sie gegenüber der Presse fast mit den gleichen Worten als Erfolg zu verkaufen suchte, wie kurz vor ihm Unions-Fraktionschef Volker Kauder. Die Sozialdemokraten wollen Themen wie Asyl und Kriminalität offenbar nicht CDU und CSU überlassen.

Darauf einigte man sich: Für Einbrüche in dauerhaft genutzte Privatwohnungen soll künftig eine Mindeststrafe von einem Jahr (bisher drei oder sechs Monate) gelten. Die Union fordert das seit langem, auch weil die Ermittlungen dadurch nicht mehr so schnell eingestellt werden könnten, wie CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte. Einbrüche in andere Liegenschaften, ob Kioske oder Ferienwohnungen, werden wie bisher bestraft. Kinderehen werden bei einem Alter von unter 16 künftig für nichtig erklärt und sind bis 18 nicht mehr erlaubt. Der Sozialleistungsbetrug durch Asylbewerber wird erschwert.

Die Ämter können Daten abgleichen und auch Fingerabdruckscanner einsetzen. EU-Bürger, deren Kinder in der Heimat wohnen, sollen nur Kindergeld in der dortigen Höhe erhalten. Das soll allerdings erst Gesetz werden, wenn die EU dafür grünes Licht gibt, also nicht mehr in dieser Legislaturperiode. Gegen die Radikalisierung zu islamistischen Terroristen soll es ein großes Präventionsprogramm geben, für das im nächsten Jahr 100 Millionen Euro bereit stehen. Bei der geplanten Bundesfernstraßengesellschaft gab es weitere Präzisierungen, die eine Privatisierung weitgehend ausschließen und den Beschäftigten mehr Jobsicherheit geben. Das verbuchte die SPD als Erfolg.

Darauf einigte man sich nicht: Dass Managergehälter künftig von den Hauptversammlungen der Aktionäre beschlossen werden müssen — und damit öffentlich sind — wäre Konsens gewesen. So steht es auch im Koalitionsvertrag. Vor allem Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) widersprach aber der weitergehenden SPD-Forderung, die Gehälter nur bis 500.000 Euro je Firma steuerlich absetzbar zu machen. Das sei mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar, sagte Schäuble unter Hinweis auf Investmentbanker und Profi-Fußballer, für die das nicht gegolten hätte.

Nun geht die SPD mit dem Thema in den Wahlkampf. Ebenso mit dem Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit. Die Koalition hatte das zwar eigentlich schon vereinbart, nicht aber, für welche Firmen das genau gelten sollte. Ab 15 Mitarbeiter forderte die SPD, ab 200 bot die Union, um kleine Betriebe zu schützen. Weil das aber nur 40.000 Menschen erfasst hätte, lehnten die Sozialdemokraten ab. Keine Einigung gab es auch bei der Ehe für alle, der Solidarrente für langjährige Geringverdiener und dem Gebäude-Energiegesetz, alles SPD-Vorschläge. Dafür scheiterte auch das von der Union verlangte Verbot des Medikamenten-Versandhandels.

So schlug sich Martin Schulz. Der SPD-Spitzenkandidat nahm zum ersten — und wahrscheinlich letzten — Mal am Koalitionsausschuss teil, denn so wird das Gremium vor der Wahl kaum noch einmal zusammenkommen. Er stellte sich dem Vernehmen nach artig vor: „Ich bin der neue SPD Vorsitzende und will helfen, die Arbeit der großen Koalition vernünftig fortzusetzen“. Und wurde artig begrüßt. Merkel und er saßen sich gegenüber. Wer führungsstärker war, darüber gibt es sehr unterschiedliche Darstellungen. Merkel habe die Sitzung klar geleitet, Schulz sei „nicht sehr kenntnisreich“ gewesen, hieß es bei der Union. Das sah die SPD ganz anders. „Absolut auf Augenhöhe“, „sehr souverän“ war der Herausforderer in ihren Augen. Wahlkampf eben.