WDR zu NSU-Terror in Köln: Behörden ignorierten Profiler-Tipps
Köln (dpa) - Die nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden haben laut WDR beim Nagelbombenanschlag in Köln konkrete Hinweise auf einen rechtsextremistischen Hintergrund ignoriert. Das berichtet das WDR-Politmagazin „Westpol“ unter Berufung auf vertrauliche Unterlagen der Ermittlungsbehörden.
Danach hatten Experten von Landes- und Bundeskriminalamt - sogenannte Profiler - schon kurz nach dem Anschlag im Juni 2004 mit 22 Verletzten auf ein ausländerfeindliches Motiv hingewiesen. Sachverständige des Bundesverfassungsschutz hätten zudem Parallelen zu einem Sprengstoffanschlag in London aufgezeigt, der von Rechtsextremisten verübt worden war.
Kölner Polizei und NRW-Innenministerium entschieden aber laut WDR, „diese Spuren nicht mit Nachdruck zu verfolgen und Erkenntnisse über einen fremdenfeindlichen Hintergrund der Öffentlichkeit systematisch zu verschweigen“. Das Innenministerium habe das Landeskriminalamt bereits wenige Stunden nach der blutigen Tat angewiesen, den Fall nicht weiter als „terroristischen Anschlag“ einzustufen. Die Ermittler gingen stattdessen von organisierter Kriminalität aus. Die Polizei widersprach den Vorwürfen.
Für den Anschlag vor einem türkischen Frisörsalon in der Kölner Keupstraße wird das NSU-Terrortrio verantwortlich gemacht, dem auch zehn Morde zugeschrieben werden. Eine Sprecherin der Polizei betonte: „Wir sind natürlich damals sämtlichen Spuren nachgegangen, auch rechtsterroristischen Spuren.“ Die Ermittlungsansätze seien hier aber nicht ausreichend gewesen, um zum Erfolg zu führen. Die Polizei habe mit „großer Intensität und Ernsthaftigkeit“ ermittelt.
Der frühere NRW-Innenminister Fritz Behrens (SPD) hatte sich am Donnerstag im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages für „fatale Fehleinschätzungen“ entschuldigt, aber keine konkreten persönliche Versäumnisse eingeräumt. Der Unions-Obmanns im Ausschuss, Clemens Binninger, kritisierte, dass weder Behrens noch der damalige Ministerpräsident Peer Steinbrück - heutiger SPD-Kanzlerkandidat - sich zu dem Anschlag öffentlich geäußert hätten. Die WDR-Sendung sollte am Sonntag um 1930 ausgestrahlt werden.
Die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe will nach Angaben ihrer Anwälte auch vor Gericht schweigen. Sie seien sich mit Zschäpe einig, dass diese keine Angaben zur Sache machen werde, sagten ihre Verteidiger der „Süddeutschen Zeitung“ (Samstag).
„Wir mussten Frau Zschäpe nicht dazu überreden“, betonte ihr Kölner Anwalt Wolfgang Heer. Ob diese Ankündigung für die gesamte Dauer des Prozesses Bestand haben werde, stehe allerdings nicht fest. „In einem Hauptverfahren sind viele Entwicklungen möglich, die man nicht vorhersagen kann. Derzeit gilt: Frau Zschäpe wird schweigen“, sagte ihre Berliner Anwältin Anja Sturm. Zschäpe hatte in dem seit zwölf Monaten andauernden Ermittlungsverfahren die Aussage verweigert.
Die 37-Jährige muss sich als Mitglied der Organisation Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) und als Mittäterin verantworten. In früheren Interviews hatten die Zschäpe-Anwälte bereits bestritten, dass Zschäpe als Mittäterin an der NSU-Mordserie beteiligt gewesen sei. Neben Zschäpe sind auch vier mutmaßliche Unterstützer und Helfer der sogenannten Zwickauer Zelle angeklagt, darunter der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben. Der Prozess soll nach dem Willen der Bundesanwaltschaft in München stattfinden, der Termin ist noch offen.
Die Verteidiger warfen Generalbundesanwalt Harald Range eine „Vorverurteilung“ vor, weil er frühzeitig über eine Kronzeugenregelung gesprochen und diese abgelehnt habe. Hinter der Debatte über die Kronzeugenregelung stehe die Annahme, dass Zschäpe in allen Anklagepunkten verurteilt werde. Davon aber sei nach den Worten der Anwälte nicht auszugehen.