Joschka Fischer soll Nabucco-Gas-Pipeline retten

Der Ex-Außenminister ist PR-Berater des Pipeline-Projekts. Und kommt damit auch Schröder in die Quere, der Gazprom berät.

Düsseldorf. Joseph "Joschka" Fischer hat wieder einen Job: Als PR-Berater soll er für das in Schwierigkeiten steckende Nabucco-Pipeline-Projekt die Trommel schlagen. Für einen "sechsstelligen Betrag pro Jahr", wie Fischers Freunde streuen, denen die Sache auch etwas peinlich ist. Andererseits aber schmeichelt es der grünen Seele ein klein wenig, wie weit es einer von ihnen gebracht hat.

Die den Grünen nahestehende "Taz" schrieb zwar von "einer legalen Form der Korruption". Aber der Ex-Außenminister ist ja nicht der einzige der letzten rot-grünen Bundesregierung, der in der Energiewirtschaft sein Auskommen findet:

Kanzler Gerhard Schröder (SPD) ist Aufsichtsratschef der deutsch-russischen Ostsee-Pipeline, der ehemalige "Superminister" Wolfgang Clement (SPD) ist bei RWE untergekommen, und RWE ist wiederum bei Nabucco dabei, und dort ist jetzt Fischer. Man bleibt also in der Familie.

Und Nabucco kann tatsächlich jede Hilfe gebrauchen. Das Pipeline-Projekt, das über Georgien und die Türkei Gas unter Umgehung Russlands aus den ehemaligen Sowjetrepubliken rund um das Kaspische Meer nach Österreich pumpen soll, steckt in erheblichen Schwierigkeiten. Die ersten Röhren sollten schon im vorigen Jahr gelegt worden sein. Doch immer wieder musste der Baubeginn verschoben werden. Jetzt ist er für 2011 geplant. Und noch immer weiß niemand, ob die 31 Milliarden Kubikmeter Gas, die Nabucco in seiner Endstufe nach Europa transportieren soll, überhaupt verfügbar sind. Das erklärt auch, warum kein privater Investor das Risiko der Finanzierung übernehmen will. Da das Projekt politisch gewollt ist, um Russland aus dem zentralasiatischem Gasgeschäft zu drängen, muss die Finanzierung mit Steuergeldern gesichert werden. Die EU hat mehrere Milliarden Euro zugesagt, weitere Gelder sollen von den beteiligten Staaten kommen.

Hinzu kommt, dass Nabucco mit der russisch-italienischen South-Stream-Pipeline eine inzwischen übermächtige Konkurrenz hat. Diese Pipeline, an der Gazprom und der italienische Versorger Eni je 50 Prozent halten, führt vom russischen Schwarzmeerhafen Novorossijsk über den Boden des Schwarzen Meers zum bulgarischen Warna. Von dort sollen zwei Stränge abgehen: ein nördlicher über Serbien und Ungarn nach Österreich, ein südlicher über Griechenland nach Italien. Die ersten Röhren werden derzeit verlegt, ab dem Jahr 2015 sollen zwischen 47 und 60 Milliarden Kubikmeter pro Jahr fließen. Und auch die sollen aus den Ex-Sowjetrepubliken rund ums Kaspische Meer kommen.

Nabucco gegen South-Stream, das ist also vor allem ein Kampf um den Zugriff auf die Gasreserven rund ums Kaspische Meer, ein Kampf Gut gegen Böse, Europa gegen Russland, und - über einige Ecken - nun auch ein Kampf Fischers gegen seinen ehemaligen Chef Schröder, der dem russischen Staatskonzern Gazprom zu Diensten ist. Und Fischer steht natürlich - wie immer in den Wendungen seiner Biographie - im Dienste des Guten.

Aber die jüngsten Schlachten gingen schlecht aus für Nabucco. Der "Seidenstraßen-Gipfel" der EU mit den Anrainerstaaten des Schwarzen und Kaspischen Meeres (ohne Russland und Iran) im Mai wurde zum Desaster: Selbst der äußerst vagen Unterstützungserklärung für Nabucco verweigerten Turkmenistan, Usbekistan und Kasachstan die Unterschrift. Sie wollten nicht Mitglied einer antirussischen Allianz werden. Nur die Türkei, Georgien, Aserbaidschan und Ägypten unterschrieben schließlich.

Kurz darauf legte der türkische Premier Erdogan einen neuen Sprengsatz: Sein Land stehe nur dann zu Nabucco, wenn die Türkei Vollmitglied der EU werde. Hier ist wohl jetzt der erste Feuerwehreinsatz Fischers gefordert, um Erdogan von diesem Erpressungsversuch wieder abzubringen. Und Fischer hat gute Beziehungen zu Ankara.

Aber das allein rettet Nabucco wohl nicht. Turkmenistan, Usbekistan und Kasachstan, ohnehin aus sowjetischer Zeit mit dem russischen Pipeline-Netz verbunden, haben den Großteil ihrer Förderung mit langjährigen Verträgen an Russland und China verkauft. Das aserbaidschanische Gas allein reicht nicht, um Nabucco wirtschaftlich zu betreiben. So kam jetzt immer wieder der Iran ins Gespräch, bis die USA das mit einem Veto stoppten. Doch das war wohl unnötig, denn auch hier ist es wie in der Geschichte vom Hasen und dem Igel: Gazprom ist schon längst da. Die Russen verhandeln derzeit mit Iran und Indien über eine Pipeline, die Indien mit dem Gas aus dem iranischen Süd-Pars-Vorkommen versorgt.

Nabucco gegen South-Stream - der Pipeline-Streit ist tatsächlich Teil einer geostrategischen Schlacht um die Lagerstätten in Zentralasien und die Kontrolle der Energieströme nach Europa. Es ist ein kalter, gelegentlich aber auch heißer Krieg zwischen den USA, Nato und EU auf der einen und Russland auf der anderen Seite um Einfluss und Kontrolle im Kaukasus und im kaspischen Raum. Eine Neuaufführung des "Great game" des 19. Jahrhunderts zwischen England und Russland, nur dass diesmal die Briten durch die Amerikaner ersetzt sind und mit China ein zwar stiller, aber umso effektiverer dritter Mitspieler schon längst recht gute Karten hält. Aber zu sicher sollte sich niemand sein: Vielleicht werden durch eine gut organisierte "farbige Revolution" in Kasachstan oder Turkmenistan die Karten plötzlich völlig neu gemischt.

Derzeit aber steckt Nabucco in Schwierigkeiten. Schon werden erste Stimmen laut, die Russen mit ins Boot zu holen. Doch welchen Reiz sollte es für Gazprom haben, als Junior-Partner Nabucco aus der Patsche zu helfen? Gazprom-Chef Alex Miller ist sich deshalb auch sicher: "Nabucco wird eine wunderschöne Oper bleiben, und sonst nichts." Aber vielleicht rettet Fischer ja doch noch das Projekt mit dem so wohlklingenden Namen.