Analyse: Auf Werbetour für ein neues Denken in Nahost
Außenminister Steinmeier setzt auf Wandel durch Annäherung. Die USA sind auf seiner Linie.
Berlin. Es ist wieder einmal eine der vielen Gewalttouren, die sich Frank-Walter Steinmeier antut, seit er vor vier Jahren in die internationale Politik hineingeriet. 6500 Flugkilometer, drei Länder in 36Stunden. Jerusalem, Damaskus und Beirut sind die Stationen der 14.Nahostreise des Außenministers, die die letzte im jetzigen Amt sein könnte.
Auch wenn es derzeit nicht danach aussieht, dass er demnächst als Regierungschef reisen wird: Zumindest wartet ein richtiges "Kanzler-Programm" auf ihn. Fast überall, wo Steinmeier kurz Halt macht, stehen ihm vom Präsidenten bis zu den wichtigsten Entscheidungsträgern die Türen offen. Dazu gehört der Empfang durch Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu. Als erster westlicher Spitzenpolitiker trifft er in Beirut den künftigen Ministerpräsidenten Saad Hariri. Ein Treffen mit dem Palästinenser-Präsidenten wurde kurzfristig abgesagt. Mahmud Abbas musste wegen der Gespräche über eine Einheitsregierung mit der radikal-islamischen Hamas, die sich an einem kritischen Punkt befinden, nach Amman fliegen.
Die große Aufmerksamkeit hängt wohl auch mit einigen Vorschlägen in Steinmeiers Reisegepäck zusammen. Mit dem Führungswechsel in Washington ist die politische Szene in Nahost in Bewegung geraten. Präsident Barack Obamas Drängen auf eine "Lösung-jetzt-Philosophie" hat nicht nur die Israelis tief verunsichert. Auch im arabischen Umfeld sortieren sich die Figuren auf dem politischen Schachbrett neu.
Stolz sind Spitzenbeamte im Auswärtigen Amt, dass die Amerikaner im Zuge ihrer Nahost-Neuorientierung auf konzeptionelle Vorarbeiten aus Berlin zurückgreifen. Dass ein "neues Denken" bei der Lösung des Konflikts notwendig ist, davon ist Steinmeier überzeugt. Die bloße Verständigung zwischen Israel und Palästinensern reiche nicht aus - auch die übrigen Akteure, von Syrien über Jordanien, Saudi-Arabien bis zu den Golfstaaten, müssten mit ins Boot.
Wandel durch Annäherung - diese deutsche Formel zur Überwindung des Kalten Krieges in Europa versucht er diversen Gesprächspartnern schmackhaft zu machen. Über ideologische Grenzen hinweg müsse man miteinander reden, Isolation löse kein Problem, argumentiert Steinmeier. Solange George W. Bush im Weißen Haus amtierte, fanden solche Thesen kein Gehör.