Vattenfall steht am Pranger
Der Zwischenfall weist Parallelen zu dem vor zwei Jahren auf.
Berlin/Hamburg. Die Hamburger merkten es schnell. Zeitweise fielen fast 1500 von 1800 Ampeln aus, ebenso etliche Pumpen, im Wassernetz der Hansestadt ließ der Druck nach. Die Erklärung: Am Samstag gab es zeitweise keinen Strom. Erneut war das norddeutsche Atomkraftwerk Krümmel - nach einer Panne - abgeschaltet worden. Es war der dritte Störfall in zwei Wochen. Bereits 2007 war derselbe Reaktor für zwei Jahre stillgelegt worden.
Jeder Zwischenfall provoziert aufs Neue eine Debatte über den Atomausstieg, gerade jetzt im Wahlkampf. Eine Streitfrage der kommenden vier Jahre ist schließlich, ob der rot-grüne Atomausstieg rückgängig gemacht oder zeitlich gestreckt werden soll. In der Großen Koalition war darüber kein Konsens erzielt worden. Mit einem anderen Partner könnte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) der Energiewirtschaft aber schon eher entgegenkommen.
Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) fackelte jedenfalls nicht lange nach dem Störfall. Da in Krümmel ein Transformator einen Defekt hatte, kündigte Gabriel an, nun alle elektrischen Anlagen in allen Atommeilern überprüfen zu lassen. Ohne die Zustimmung der Bundesaufsicht soll Krümmel nicht wieder anfahren dürfen, stellte er gegenüber unserer Zeitung klar. Von Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Union forderte er eine Abkehr von ihrem Atomkurs. Von den Kraftwerksbetreibern verlangte er, sie sollten ältere Kraftwerke früher als vereinbart vom Netz nehmen; die Reststrommengen auf modernere, jüngere Meiler übertragen.
Für das Energieunternehmen Vattenfall bedeutet der erneute Störfall einen großen Image-Schaden. Die Parallelen zum Schaden im Jahr 2007, die es selbst nach Ansicht des Unternehmens eigentlich gar nicht mehr hätte geben dürfen, drängen sich auf: Wieder Probleme mit einem Trafo und wieder Probleme mit der Kommunikation. Im Sommer 2007 hatte der Brand eines Transformators für die Abschaltung der Anlage gesorgt. Zwei Jahre stand Krümmel danach still, Vattenfall investierte Millionensummen und gelobte die Verbesserung seiner damals zurückhaltenden und dafür scharf kritisierten Informationspolitik.
Doch auch diesmal gab es Pannen: Anders als eigentlich vorgesehen war die Atomaufsicht in Kiel am Samstag zuerst von der Polizei und nicht vom Betreiber selbst über den Zwischenfall informiert worden. "Inakzeptabel", stellte der für die Nuklearsparte zuständige Vattenfall-Geschäftsführer Ernst Michael Züfle am Sonntag klar und sah die sofort einberufene Pressekonferenz auch als Zeichen für das, was man aus dem Jahr 2007 gelernt habe.
Die Atomaufsicht in Kiel verliert trotzdem langsam die Geduld. "Warum es nicht möglich war, binnen 40 Minuten auf dem fest vereinbarten und vorgeschriebenen Weg eine kurze Erstinformation über die Reaktorschnellabschaltung an das Lagezentrum und die Atomaufsicht zu geben, ist mir völlig unverständlich", kritisierte die zuständige Landessozialministerin Gitta Trauernicht (SPD). Die Panne müsse Konsequenzen haben, forderte sie.
"Ich bin überzeugt davon, dass das Kernkraftwerk Krümmel sicher betrieben werden kann", stellte Züfle am Sonntag klar. Daran gebe es keinerlei Zweifel, auch wenn die Ursache für den erneuten Störfall noch nicht geklärt sei. Gut acht Jahre wolle man die Anlage noch betreiben. Die Ministerin ist da anderer Meinung: Man müsse nun intensiv darüber nachdenken, die Restlaufzeit älterer Kraftwerke wie Krümmel auf neuere Anlagen zu übertragen, sagte sie. "Das erwarte ich auch von Vattenfall."