Analyse: Viele Davids klagen gegen einen Goliath
Gemeinsam stark: Eine neue Sammelklage soll die Verbraucherrechte in der EU verbessern.
Düsseldorf. Die EU-Verbraucherschutzkommissarin Meglena Kuneva hat ein ehrgeiziges Ziel: "Ein Käufer in Birmingham, der auf einer Internetseite aus Berlin eine Digitalkamera kauft, soll sich dabei so sicher fühlen wie im Laden um die Ecke." Um das Verbraucher-Vertrauen bei grenzüberschreitenden Geschäften zu stärken, will die Kommissarin die Verbraucherrechte mit einer Sammelklage stärken. Würde das Vorhaben Wirklichkeit, dann könnten sich Käufer aus verschiedenen Staaten der EU, die etwa von einem dubiosen Anbieter mit mangelhaften Waren über den Tisch gezogen wurden, zusammenschließen und gemeinsam ihre Ansprüche geltend machen.
Hierzulande muss jeder Kläger seinen Anspruch individuell durchfechten. Es gibt freilich schon Durchbrechungen dieses Grundsatzes. So hat etwa der Bundesgerichtshof der Verbraucherzentrale NRW zugestanden: Die Verbraucherschützer durften sich Forderungen von 74 durch den Diebstahl ihrer EC-Karten Geschädigten abtreten lassen und diese in einem Verfahren gegen fünf Banken geltend machen. Auch gibt es Musterprozesse. Beispiel: Ein Steuerzahler beantragt beim Finanzamt unter Berufung auf einen laufenden Rechtsstreit ein Ruhen seines Verfahrens. Ist das Musterverfahren erfolgreich, profitiert auch er davon.
Bei der echten Sammelklage hingegen treten viele Davids zusammen in einem Prozess gegen einen Goliath an. Dabei kann man sich die Prozesskosten, etwa für teure Gutachter, teilen. Der Sachverstand auf Klägerseite wird gebündelt - wie etwa in dem angesprochenen Bankverfahren, bei dem die Verbraucherzentrale bessere Marktübersicht und bessere Informationen hat als der einzelne Verbraucher. Das Ungleichgewicht - große Firmen können mit Hilfe teurer Anwälte lange Prozesse durchstehen - wird egalisiert. Und: Die Gerichte werden entlastet, wenn sie nicht viele Fälle in ein und derselben Sache entscheiden müssen.
Die Wirtschaft ist naturgemäß wenig begeistert: Sammelklagen könnten wie in den USA dazu führen, dass die Firmen unter dem schieren Übergewicht der großen Menge an Klägern nachgeben müssen - auch bei nicht berechtigten Forderungen. Denn Tausende von Klägern, so die Befürchtung, könnten leicht die Öffentlichkeit für ihre Interessen einspannen und den Prozessgegner zu einem teuren Vergleich drängen. Ex-Bundespräsident Roman Herzog hat in diesem Zusammenhang gewarnt, dass Sammelklagen nicht zum Instrument eines "modernen Raubzugwesens" gemacht werden dürften.