Kraft und Steinbrück: Konflikt unter Genossen
Analyse: Die SPD-Landeschefin attackiert ihren Ex-Chef im Namen der Basis.
Düsseldorf. Heute werden sie wieder aufeinandertreffen: Hannelore Kraft und Peer Steinbrück sind beide zentrale Figuren des Regionaltreffens der Bundes-SPD in Bonn. Kraft wird die Teilnehmer, die über das neue Grundsatzprogramm der Partei diskutieren wollen, begrüßen und anschließend das Forum "Politik für neue Arbeit" moderieren. Steinbrück hält einen Vortrag zum Thema "Perspektiven einer sozialdemokratischen Wirtschaftspolitik". Beide werden freundlich zueinander sein - nach dem Motto: Im Grundsatz können wir gut miteinander. Im Detail freilich nicht. Kraft ist die derzeit lautstärkste Steinbrück-Kritikerin in der SPD.
Der Konflikt dreht sich um die Unternehmenssteuerreform. Steinbrück hat sie seit Monaten innerhalb der Großen Koalition in Berlin abgestimmt. Fast alles daran ist auch für Kraft unstrittig und in Ordnung. Bis auf das Ergebnis. Denn Steinbrück hat ein Konzept erarbeitet, das die Firmen unter dem Strich mit rund fünf Milliarden Euro entlasten soll - zumindest am Anfang.
Das steht im eindeutigen Gegensatz zu SPD-Parteitagsbeschlüssen, die eine aufkommensneutrale Reform fordern. Kraft hat Steinbrück mehrfach - zuletzt Anfang der Woche bei einer Sitzung der NRW-Gruppe der SPD-Bundestagsabgeordneten - lautstark daran erinnert. Steinbrück reagiert zunehmend dünnhäutig und empfahl der Genossin, doch einmal den Gesetzestext zu lesen.
Kraft spricht freilich für die Parteibasis. Dort wird tatsächlich mit Ingrimm verfolgt, dass auch die SPD den kleinen Leuten etwa bei der Rente mit 67 viel zumutet, die Unternehmen aber weiter entlasten will. Das war aus Sicht der einfachen Mitglieder bei Rot-Grün schon so und hat zu vielen Austritten gesorgt, das ist bei Schwarz-Rot nicht anders.
Was kaum jemand wahrnimmt: Steinbrück ist auch stellvertretender SPD-Parteichef. Als solcher ist er natürlich den Gremienbeschlüssen besonders verpflichtet. Und da versucht Kraft, ihn in die Pflicht zu nehmen. Ihr Argument: Den Gesetzentwurf muss Steinbrück mit der CDU nachverhandeln, das Recht nimmt sich die Union auch bei anderen Themen heraus.
Dieser Konflikt wird auch gerne von den überregionalen Medien aufgegriffen. Kraft kann das Recht sein. So wird sie schon in ihrer Anfangsphase als SPD-Landesparteichefin bundesweit wahrgenommen. Steinbrück, der nicht gerade uneitel ist, wird damit leben müssen. Als ehemaliger NRW-Ministerpräsident war er der Chef der damaligen Wissenschaftsministerin Kraft, jetzt bietet sie ihm die Stirn. So schnelllebig kann Politik sein.