Gesamtschule entwickelt sich zum Renner
In NRW müssen mehr als 17 000 Bewerbungen zurückgewiesen werden. CDU-Städte planen Neubauten.
Düsseldorf. Die Gesamtschulen in Nordrhein-Westfalen erfreuen sich ungeahnter Beliebtheit. Zum neuen Schuljahr wurden exakt 47 183 Kinder für diese integrierte Schulform angemeldet, dem stehen nur rund 30 000 Plätze entgegen. Diese Zahlen stehen im Widerspruch zur Schulpolitik der schwarz-gelben Landesregierung, die das gegliederte Schulsystem ausdrücklich stärken will.
Mittlerweile denken auch CDU-geführte Städte über neue Gesamtschulen nach, etwa Neuss oder Emsdetten. In Köln mussten mehr als 900 Anmeldungen zurückgewiesen werden, dort wird über eine neunte Gesamtschule diskutiert. Im CDU-Kernland Kleve gibt es nur eine Schule dieses Typs, zwei von drei Bewerbern wurden abgewiesen. Auch in Mönchengladbach, Dortmund, Soest, Bielefeld und dem Rhein-Sieg-Kreis wird ein Neubau erwogen. In Solingen wollen mehr als die Hälfte aller Viertklässler eine integrierte Schule besuchen.
Werner Kerski, Chef des Gesamtschulverbands NRW, sieht in dem neuen Schulgesetz den Hauptgrund für den Boom. "Das ist eine Abstimmung mit den Füßen. Die Eltern wollen für ihre Kinder die besten Chancen wahren", sagte Kerski unserer Zeitung. Auch Kinder mit Gymnasialempfehlungen gingen zur Gesamtschule - aus Angst vor dem "Turbo-Abi". An Gymnasium wird die Reifeprüfung künftig nach zwölf Schuljahren abgelegt, an Gesamtschulen wie bisher nach 13 Jahren.
"Die Gesamtschulen machen eine ordentliche Arbeit und sind in den Kommunen verankert", begründete der Dortmunder Bildungsforscher Ernst Rösner den Ansturm. Eltern wollten für ihre Schüler einen möglichst guten Abschluss; die Gesamtschule halte diese Option offen. Verlierer sind Kerski und Rösner zufolge die Hauptschulen. Dort würden die Anmeldezahlen "Zug um Zug weiter in den Keller gehen".