Kommentar zu Rüttgers Strukturpolitik: NRW legt die Ruhrgebietsbrille ab
Wer dem Ruhrgebiet an die Subventionen gehen will, der muss Mut mitbringen. Als die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Christa Thoben - selbst ein Kind des Reviers - vor einigen Wochen das Ende der althergebrachten Strukturförderung ankündigte, erntete sie zwischen Duisburg und Dortmund geharnischten Protest.
<strong>Düsseldorf. Umso beachtlicher, dass Ministerpräsident Jürgen Rüttgers jetzt selbst die Zeitenwende weg von der Hätschelpolitik einläutet. Dass er dies bewusst nicht in einer Zeitung des Ruhrgebiets tut, kann als Hinweis verstanden werden, wie ernst es ihm mit der Gleichbehandlung der anderen Regionen im Land ist. Sei es, weil sie wie das Bergische Land vom Strukturwandel mindestens so gebeutelt sind wie das Revier, oder weil eine erfolgreiche Strukturpolitik vor allem Stärken stärken muss, wie sie sich zuhauf in der pulsierenden Rheinschiene finden. Diese Zeitung wird den Wandel der Strukturförderung vom Wundenheilen zum Keimlingesetzen jedenfalls sehr aufmerksam verfolgen. Wie dringlich diese Umorientierung ist, belegt die Wirkungslosigkeit, mit der ein Großteil der EU-Fördermittel in der Vergangenheit verpufft ist. Die sogenannten Leuchtturmprojekte der sozialdemokratischen Vorgängerregierungen wie das Trickfilm-Zentrum in Oberhausen strahlten meist nicht besonders weit. Dagegen haben sich andere Räume wie die ehemals gebeutelte Textilregion um Emsdetten ganz ohne Hilfe des Landes zu Modellregionen gemausert.
Es reicht also nicht aus, die EU-Milliarden nun stärker nach dem Prinzip der regionalen Gerechtigkeit über das Land zu verteilen. Die Regionen basteln bereits an ihren Anträgen. Das Düsseldorfer Wirtschaftsministerium muss diese darauf abklopfen, ob sie tatsächlich nachhaltige Impulse auslösen.
GERECHTE VERTEILUNG Bei der Neuauflage der EU-Strukturförderung erwartet das Land Nordrhein-Westfalen von 2007 bis 2013 rund 2,3 Milliarden Euro von der Europäischen Union. Land, Kommunen oder Private müssen noch einmal die gleiche Summe aufbringen. Etwa die Hälfte des Geldes soll ins Ruhrgebiet fließen. Umd die andere Hälfte können sich die anderen Regionen des Landes bewerben.
BISHERIGE FÖRDERUNG Zwischen 2000 und 2006 hat die EU den Strukturwandel in NRW mit 970 Millionen Euro gefördert. Ergänzt wurde das Geld durch eine weitere Milliarde von Land und Kommunen. Fast ausschließlich das Revier kam in den Genuss dieser Förderung, mit der hier über 2500 Projekte angeschoben wurden.