Arbeitslosengeld: NRW-CDU setzt die Kanzlerin unter Druck

Rüttgers drängt auf eine schnelle Lösung in der Großen Koalition.

Düsseldorf. Der Streit um das Arbeitslosengeld I hat das Kanzleramt erreicht. Die nordrhein-westfälische CDU forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gestern auf, noch vor dem SPD-Parteitag in zwei Wochen einen Koalitionsbeschluss zu fassen. Generalsekretär Hendrik Wüste verwies in einem Interview mit der "Berliner Zeitung" auf einen entsprechenden Beschluss des CDU-Bundesparteitags in Dresden und sagte: "Die SPD hat klein beigegeben. Wir können das schon morgen umsetzen."

Auch NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers drängt auf eine schnelle Lösung in der Koalition. Zugleich warnte er Union und SPD in einem Gespräch mit unserer Zeitung, überflüssige Hürden aufzubauen: "Ich halte eine Einigung für möglich."

Rüttgers plädiert zudem dafür, neben einer Verlängerung der Bezugsdauer für ältere Arbeitslose die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung stärker abzusenken. Der Unionsvorschlag, der wegen der geplanten Kürzung bei jüngeren Arbeitslosen ohne zusätzliche Finanzmittel auskomme, habe den Charme, dass die Überschüsse der Bundesanstalt für Arbeit zur Senkung der Beiträge verwendet werden könnten: "Das bedeutet, dass den Bürgern Netto mehr in der Tasche bleibt."

Rüttgers sprach zudem von "weiteren Konstruktionsfehlern in Hartz IV", die "beseitigt" werden müssten: "Ich meine das zu niedrige Schonvermögen, um die Gefahr von Altersarmut zu bannen. Und ich spreche von verbesserten Zahlungen für Kinder sowie der Änderung von Verfahrensvorschriften, damit das Prinzip vom Fördern und Fordern viel effizienter umgesetzt werden kann."

In der SPD-Führung wird derweil fieberhaft daran gearbeitet, den Konflikt um das Arbeitslosengeld bis zum Parteitag zu entschärfen. Bei einem Spitzentreffen von SPD-Chef Kurt Beck, Vizekanzler Franz Müntefering und Fraktionschef Peter Struck sollen deshalb Anfang kommender Woche die Grundzüge für einen Kompromiss vereinbart werden. Als Lösung zeichnet sich ab, die verlängerte Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I zu befristen und den Kreis der Nutznießer zu begrenzen.

In einer Regierungserklärung im Bundestag verzichtete Müntefering gestern weitgehend darauf, den Streit mit Beck weiter anzuheizen. In seiner Rede ging der Arbeitsminister darauf nur indirekt ein. Seit Jahresbeginn seien 230 000 Menschen über 50 Jahre wieder in Arbeit gekommen, sagte er. Seit 1998 habe sich zudem der Anteil der älteren Erwerbstätigen deutlich erhöht. In Anspielung auf Becks Vorstoß fügte er hinzu: "Manchmal machen wir es uns unnötig schwer."

Alles schaut auf Jürgen Rüttgers: Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident steht im Mittelpunkt einer Debatte um soziale Gerechtigkeit. Besser kann es für ihn an diesem Punkt nicht laufen: Seine Forderungen sind populär, kosten ihn keinen Cent und hieven ihn wieder auf die bundespolitische Bühne. Jetzt ist er sogar wieder auf Augenhöhe mit Angela Merkel. Der Druck auf die Kanzlerin wächst. Rüttgers aber kann sich zurücklehnen - aus dieser Debatte kann er nur als Sieger hervorgehen.