Hannelore Kraft: Aus dem Revier an die Hebel der Macht

Hannelore Kraft marschiert ganz nach oben. Oft wurde die Mülheimerin aus einfachen Verhältnissen unterschätzt. Ex-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers wurde das zum Verhängnis. Unbeirrt sammelt Kraft ein Spitzenamt nach dem anderen ein.

Düsseldorf. 2010 ist das Jahr der Hannelore Kraft. Die Sozialdemokratin ist auf dem Zenit ihrer Karriere und hat eine Fülle an Spitzenämtern wie nie zuvor. Als erste Frau schaffte sie im Sommer den Sprung auf den Regierungschefsessel in Nordrhein-Westfalen. In der SPD in Land und Bund hat sie so viele Top-Positionen gleichzeitig wie zuletzt Johannes Rau. Nun ist die 49-Jährige auch noch die erste Frau an der Spitze des Bundesrats - dies war ihrer Genossin Heide Simonis in ihren zwölf Amtsjahren als Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein nicht vergönnt.

Dabei war Kraft ein solcher Durchmarsch an die Spitze nicht in die Wiege gelegt. "Wir sind eine wirkliche Ruhrgebietsfamilie", erzählt sie über sich selbst. Ihre Eltern waren in Mülheim beide bei der Straßenbahn beschäftigt. "Wir lebten in einfachen Verhältnissen", gibt sie unumwunden zu. "Heute würde man das ein bildungsfernes Elternhaus nennen."

Also biss sie sich auf eigene Faust durch, schaffte das Abitur, machte zunächst eine Ausbildung zur Bankkauffrau, studierte dann Wirtschaftswissenschaften und machte 1989 einen Abschluss als Diplom- Ökonomin. Zunächst arbeitete Kraft als Unternehmensberaterin.

1994 trat sie in die SPD ein, sparte sich aber "die Ochsentour" durch Ortsvereine und Arbeitskreise ebenso wie das "Netzwerken" in Seilschaften. Trotzdem schaffte sie 2000 den Sprung in den Düsseldorfer Landtag. Ein Jahr später machte sie der damalige Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) zur Europaministerin seiner rot-grünen Koalition.

Richtig los ging ihre Karriere aber erst nach dem Machtverlust der Sozialdemokraten bei der Landtagswahl 2005. Als sich keiner der SPD- Frontmänner mehr danach drängte, die Scherben aufzulesen, machten die verstörten Genossen Kraft erst zur Fraktions- und dann zur Landesvorsitzenden. Auch dies als erste Frau in beiden Ämtern.

Nach einer weiteren schweren SPD-Niederlage bei der Bundestagswahl 2009 ging der Aufstieg Krafts weiter - zur stellvertretenden Bundesvorsitzenden und zum Mitglied im SPD-Präsidium. Damit stellte sie sich in eine Reihe mit dem legendären SPD-Ministerpräsidenten Johannes Rau.

Bei der Landtagswahl in diesem Jahr schaffte es Kraft, Jürgen Rüttgers' (CDU) schwarz-gelbe Koalition mit einer rot-grünen Minderheitsregierung aus dem Amt zu manövrieren. Ihre Partei folgt ihr bei diesem Experiment bislang klaglos.

Mit ihrem Ehemann Udo und ihrem Sohn Jan lebt Kraft noch immer in ihrer Heimatstadt tief im Ruhrgebiet. Als Hobbys nennt sie: "Spiel, Sport und Spaß mit Mann, Sohn und Hund, Essen und Klönen mit Freunden."