Flüchtlingsgipfel in Berlin Hannelore Kraft: „Gute Integration der Flüchtlinge muss Ziel sein“
Fast doppelt so viele Flüchtlinge werden 2015 nach Deutschland kommen wie im vergangenen Jahr. Ihre Unterbringung, Betreuung und Integration ist Thema eines Spitzentreffens im Kanzleramt am Freitag. NRW-Regierungschefin Kraft nennt ihre Prioritäten.
Düsseldorf. Vor dem Spitzentreffen zur Flüchtlingspolitik im Kanzleramt fordert Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) mehr Engagement vom Bund. Die NRW-Regierungschefin nimmt am Freitag an der Runde mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) und mehreren Ländervertretern in Berlin teil. Für 2015 werden mehr als 400 000 Asylanträge bundesweit erwartet - doppelt so viele wie im vergangenen Jahr. Die wichtigsten Aufgaben und Ziele nennt Kraft im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.
Frage: Was erwarten Sie vom Spitzentreffen am Freitag in Berlin?
Antwort: Das gemeinsame Bekenntnis, dass Flüchtlingspolitik wirklich eine gesamtstaatliche Aufgabe ist. Wer vor Krieg, Mord und Verfolgung flieht, muss bei uns Schutz und Hilfe finden und willkommen sein. Ziel muss sein, eine gute Integration der Flüchtlinge in Deutschland zu schaffen. Das ist auch angesichts weiter steigender Flüchtlingszahlen nur zu erreichen, wenn der Bund stärker als bisher seinen Teil der Verantwortung übernimmt. Das gilt insbesondere für die große Zahl an Kindern und Jugendlichen, die ganz allein, ohne Familie, kommen. Sie brauchen besonderen Schutz.
Frage: NRW nimmt mehr als ein Fünftel der Flüchtlinge auf, die nach Deutschland kommen, allein im ersten Quartal waren das rund 22 000 Schutzsuchende. Was ist von zentraler Bedeutung?
Antwort: Der anhaltende Anstieg der Flüchtlingszahlen macht deutlich, dass die zusätzlichen Finanzhilfen des Bundes für 2015 und 2016 nicht ausreichen. Der Bund muss sich dauerhaft und strukturell an den steigenden Ausgaben beteiligen. Ich erlebe überall, wo ich hinkomme, großartiges ehrenamtliches Engagement, das für die Flüchtlingshilfe von unschätzbarem Wert ist. Wenn wir die große Willkommensbereitschaft in der Bevölkerung erhalten wollen, muss es insbesondere für die Kommunen zu einer Kostenentlastung bei der Flüchtlingsbetreuung kommen. Wenn der Bau von Kitas, die Renovierung des Schwimmbads, die Belegung von Schul-Turnhallen oder die Förderung von Kultur und Sportvereinen in Konkurrenz zu einer menschenwürdigen Unterbringung von Flüchtlingen gerät, bedroht das gesellschaftliche Akzeptanz.
Frage: Nach dem zweiten NRW-Flüchtlingsgipfel hatten Sie eine folgenreiche, zu langsame Antragsbearbeitung durch das Bundesamt BAMF beklagt, wollen Sie hier in Berlin auf Verbesserung dringen?
Antwort: Eine deutlich schnellere Bearbeitung der Asylverfahren ist ein zentraler Schlüssel bei der Betreuung von Flüchtlingen. Ziel muss sein, dass Asylverfahren nur noch drei Monate dauern. Dafür muss der Bund das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge endlich entsprechend personell aufstocken, einschließlich der Dolmetscher. Was da bisher erfolgt ist, reicht nicht aus. Die Begrenzung der Verfahren auf drei Monate hat die große Koalition im Koalitionsvertrag zugesagt. Doch zurzeit dauern die Verfahren immer noch mehr als doppelt so lange.
Frage: Von 28 EU-Staaten nehmen nur 5 Mitgliedsländer zusammen 80 Prozent der Flüchtlinge auf, was muss hier passieren?
Antwort: Das gemeinsame EU-Asylsystem, das sogenannte Dublin-Verfahren, ist gescheitert. Die Bundesregierung muss nun mit großem Nachdruck eine gerechte und solidarische Teilung der Verantwortung zwischen den Mitgliedsstaaten vorantreiben. Wir brauchen faire Quoten und bei Bedarf einen finanziellen Ausgleich für einzelne, besonders betroffene Mitgliedsstaaten.