Justiz verschont kleine Raubkopierer

Neue Leitlinie: Strafverfolgung erst ab einem Schaden von 3000 Euro.

Düsseldorf. Aufatmen bei Tauschbörsen-Nutzern: Die Staatsanwaltschaften in NRW wollen ab sofort nicht mehr jeden Einzelnen strafrechtlich verfolgen, der sich illegal Musikstücke oder Filme aus dem Internet herunterlädt. "Wir werden uns auf Täter konzentrieren, bei denen das illegale Filesharing gewerbsmäßige Ausmaße hat", bestätigte gestern der Sprecher der Düsseldorfer Generalstaatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Axel Stahl.

Hintergrund ist eine neue Leitlinie der drei NRW-Generalstaatsanwaltschaften Düsseldorf, Köln und Hamm. Danach sollen Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Tauschbörsen-Nutzer erst dann eingeleitet werden, wenn durch illegales Herunterladen ein Schaden ab rund 3000Euro entstanden ist. Stahl: "Vergleichbare Regelungen gibt es bereits in Bayern und Baden-Württemberg. Dieser Schaden entsteht in der Regel beim illegalen Herunterladen von etwa 3000 Musikstücken oder 200 Kinofilmen."

Mit den neuen Vorgaben wollen die NRW-Generalstaatsanwälte eine Flut von zigtausenden Anzeigen aus der Musik- und Pornoindustrie eindämmen. Deren Anwälte hatten bislang für jeden einzelnen Fall illegaler Downloads Ermittlungen ausgelöst - und zwar im "deutlich fünfstelligen Bereich" seit Jahresbeginn, wie ein Sprecher des NRW-Justizministeriums bestätigte.

Den Anstoß zu der neuen Leitlinie hatten die Staatsanwaltschaften in Wuppertal und Duisburg gegeben: Sie hatten sich von den Anzeigenerstattern missbraucht gefühlt und sich geweigert, die Anzeigen zu verfolgen (wir berichteten). Grund: Die Anzeigenerstatter waren weniger an einer Bestrafung der Raubkopierer interessiert als daran, mithilfe der Staatsanwaltschaften deren Namen und Adressen herauszubekommen, um sie mit teuren Abmahnungen zur Kasse zu bitten. Und das Ganze auf Kosten der Steuerzahler: Denn die Strafverfolgungsbehörden müssen laut Gesetz für jede Adressen-Feststellung bis zu 50 Euro an die Internet-Provider zahlen - ohne den Abmahnanwälten das Geld in Rechnung stellen zu können. Nach Schätzungen entstanden allein in NRW seit Jahresbeginn so Kosten von 2,1 Millionen Euro.