Wolfgang Clement: „Ich bin tief enttäuscht“

Jetzt meldet sich der Noch-Genosse zu Wort. SPD-Chef Beck schickt Heil als Ausputzer ins Schiedsverfahren.

Düsseldorf/Berlin. Am Freitag wurde über ihn geurteilt und geredet: Wolfgang Clement hatte seit langer Zeit mal wieder alle Schlagzeilen für sich. Über das Presse-Echo zum von der Schiedskommission der NRW-SPD gegen ihn verhängten Parteiausschluss konnte er sich nicht beklagen: Er taucht in allen Titelzeilen auf, fast alle Kommentatoren halten den geplanten Rausschmiss für falsch, wenngleich aus unterschiedlichen Gründen.

Das dürfte dem Grantler gefallen haben. Gestern meldete er sich via "Kölner Stadt-Anzeiger" zu Wort: "Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung in der Partei Willy Brandts so gering geschätzt wird", gab der 68-Jährige aus dem italienischen Urlaubsdomizil zu Protokoll. Und der "Welt" warnte er seine Partei vor einer "Rolle rückwärts" in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Aber er sagte auch, dass die SPD noch seine Heimat sei.

Ihm geht es um das große Ganze, sein persönliches Recht auf die Meinung, dass die hessische SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti nicht wählbar sei, müsse höher eingestuft werden als die nackten Parteistatuten. Das sei seine wahre solidarische Pflicht, so Clement weiter.

Diese Sicht der Dinge dürfte die SPD-Spitze wenig überrascht haben, kennt man doch den Hang des Genossen Clement zur alleinigen Auslegung der Wahrheit. Gleichwohl herrscht im Willy-Brandt-Haus Panik.

Dort nimmt man mit Entsetzen wahr, dass diese aufs Formale reduzierte Affäre genau das ist, was beide Parteiflügel damit verbinden: Clement sieht sich als letzter Verteidiger des Reformwerks Agenda 2010, die gegen ihn klagenden Ortsverbände wollen ihn genau aus dem Grund weghaben.

Rechts gegen links - dieser Flügelkampf entbrennt nun neu, tobt durch alle Internet-Foren, die sich mit dem Thema befassen, war auch der Tenor bei den einschlägigen Anrufsendungen im Radio. Das Urteil erregt die Sympathisanten und die Mitglieder der Partei. Die Chefin der NRW-SPD, Hannelore Kraft, hat es ängstlich vermieden, sich in irgendeiner Form mit dem Schiedsverfahren in zweiter Instanz zu befassen.

Das sieht der Chef der Bundes-SPD, Kurt Beck, augenscheinlich ein bisschen anders. Er mahnte zur "Besonnenheit" im Verfahren und setzte ein deutliches Signal: Generalsekretär Hubertus Heil wird als "Verfahrensbevollmächtigter des Parteivorstands" ins Schiedsverfahren in der dritten und letzten Instanz entsandt - als Ausputzer.

Becks Haupt-Vize Frank-Walter Steinmeier hatte Clement schon tags zuvor unterstützt, gestern war ein anderer Stellvertreter an der Reihe. Peer Steinbrück erklärte: "Die SPD und Clement müssen einander aushalten."

So einmütig wie bei den Parteioberen ist die Stimmung an der Basis freilich nicht. Bei der Landes-SPD häuften sich am Freitag die Mails. Dabei war die Stimmung geteilt: Clement polarisiert. Als "Sturkopf" und "Industrielobbyist" wird er dort bezeichnet, "Verstoß gegen den Grundpfeiler der Solidarität" wird ihm in einigen der 50 Schreiben vorgeworfen, die alleine in der Parteizentrale eingingen - die Zuschriften in den Unterbezirken nicht eingerechnet.

Aber es gibt auch Stimmen, die vor dem Schaden warnen, die der Rauswurf auslösen würde. "Trotzdem denke ich, dass er bleiben sollte. Das muss die SPD aushalten können", schreibt ein Genosse. Das hätte Beck nicht besser sagen können.