Zukunftscamp: Ferien à la Hauptschule

Bildungsinitiative: In Hattingen büffeln 60 Hauptschüler, um ihre Berufschancen zu erhöhen.

Hattingen. Jahr für Jahr verlassen 80 000 Jugendliche ohne Abschluss die Schule. Für die Mehrheit bedeutet das: keine Ausbildung, keinen Job, ein Leben mit HartzIV. Ozan möchte so nicht enden. Der 15-jährige Hauptschüler aus Bonn ist zwar "nicht so gut in der Schule", wie er gesteht.

"Einen Beruf will ich aber auf jeden Fall erlernen", sagt er und fügt hinzu: "Das ist voll wichtig." Statt die Sommerferien zum Faulenzen zu nutzen, hat Ozan deshalb drei Wochen gebüffelt - im Zukunftscamp "Future now" des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) NRW.

Wie Unterricht in den Ferien sieht es dennoch nicht aus, was die 60 Achtklässler aus NRW-Hauptschulen im Jugendbildungszentrum in Hattingen veranstalten. In einem Raum sitzen Mädchen an Nähmaschinen und nähen Tunikas für das große Abschlussfest, in der Küche wird Gemüse geschnitten, zwei Nachwuchsjournalisten laufen mit einem Aufnahmegerät durch die Gänge, und im Garten schöpfen Schüler Papier.

"Wir geben den Jugendlichen Impulse, die sie in der Schule so nicht bekommen", sagt DGB-Projektleiterin Heidi Walter. Das Camp, das zum zweiten Mal veranstaltet wird, soll jenen einen "Kick" geben, die schon zwei Jahre vor dem Schulabschluss den Stempel "nicht ausbildungsreif" tragen. "Wenn wir dieses Klientel aus den Augen verlieren, haben wir einen ungeheuren gesellschaftlichen Sprengsatz."

17 Betreuer, Künstler und Experten haben sich in den vergangenen Wochen um die Schüler gekümmert, die überwiegend aus schwierigen sozialen und finanziellen Verhältnissen stammen. Arbeitslosigkeit in der Familie, alkoholkranke Eltern, kaum Geld für regelmäßige Mahlzeiten - die 14- bis 16-Jährigen kommen mit einer Vielzahl von Problemen.

In dem Ferienlager sei vor allem Mobbing ein großes Thema, sagt Campleiter Kai Venohr. Umso wichtiger sei deshalb das Programm in der ersten Projekthälfte. Da ging es um die sogenannten "Soft skills", die sozialen Kompetenzen, die von der Wirtschaft immer wieder angemahnt, von den Schülern aber nur selten mitgebracht werden. Gemeinsam wurde deshalb hinterfragt: Wie komme ich in der Gruppe an? Wie schätze ich mich selbst ein?

"Es war schon ungewöhnlich, plötzlich mit einem Fremden auf dem Zimmer zu sein", erinnert sich Ozan an die ersten Tage im Camp. Doch das habe überraschend gut geklappt, nicht zuletzt wegen gemeinsamer Paddeltouren auf der Ruhr oder Besuchen im Freizeitpark. "Ich kannte keinen vorher. Jetzt halten wir gut zusammen", sagt der 15-Jährige und lächelt dabei etwas verlegen.

Die zweite Hälfte des Camps stand dann ganz im Zeichen der Berufsorientierung. "Wir zeigen den Jugendlichen, dass es mehr gibt als Friseurin und Kfz-Mechaniker", sagt Heidi Walter. Wichtig sei die Praxis, denn "wir sind keine Schule". So hat sich zum Beispiel die Gruppe "Konsum und Ernährung" nicht allein mit Inhaltsstoffen, Nährwerten und Fettgehalt beschäftigt, sondern auch gekocht. Gerade am letzten Tag wird emsig am Menü für die Abschlusspräsentation gearbeitet.

Neben zahlreichen Unternehmen trägt erstmals die Bundesagentur für Arbeit die Hälfte der Kosten von insgesamt rund 280000Euro. "Bislang sind wir vor allem ein Reparaturbetrieb. Wenn wir Erfolg haben wollen, müssen wir aber verstärkt präventiv arbeiten", sagt Peter Welters, Chef der Kölner Agentur. Ein flächendeckendes Angebot für die Schüler aller 819Hauptschulen im Land sei mit Blick auf die Kosten dennoch "illusorisch".

Der 15-jährige Ozan ist sich nach drei Wochen Camp derweil sicher, was er einmal werden will: "Koch". Dann sei er bestimmt in der entsprechenden Projektgruppe gewesen? "Nein, denn ich dachte nicht, dass die auch tatsächlich kochen."