Karlsruhe kippt generelles Kopftuchverbot - NRW muss reagieren

Das Bundesverfassungsgericht hat seine Haltung zum Kopftuch muslimischer Lehrerinnen geändert und damit Wirbel in Düsseldorf ausgelöst. Denn die Klägerinnen kommen aus Nordrhein-Westfalen. Schulministerin Löhrmann freut sich sehr über die Entscheidung.

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Karlsruhe/Düsseldorf (dpa). Zwei muslimische Frauen aus Nordrhein-Westfalen haben beim Bundesverfassungsgericht das Aus für ein generelles Kopftuchverbot an öffentlichen Schulen erreicht. Das höchste deutsche Gericht erklärte eine entsprechende Vorschrift im nordrhein-westfälischen Schulgesetz für verfassungswidrig. Das Gericht kippte zudem eine Passage, die eine Bevorzugung christlicher Werte und Traditionen darstelle. Dieser Satz im NRW-Schulgesetz sei nichtig, weil er andere Religionen benachteilige.

NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) kündigte am Freitag eine zügige Prüfung an, „um alle erforderlichen Rechtsveränderungen vornehmen zu können“. Wie dies konkret geschehen soll, ist noch offen. Löhrmann begrüßte die Entscheidung, die den „veränderten gesellschaftlichen Realitäten Rechnung“ trage. Es sei nun Rechtssicherheit geschaffen. „Ich freue mich sehr über das Urteil, schließlich gehört für uns in Nordrhein-Westfalen der Islam zu einer multireligiösen Gesellschaft dazu“, sagte Löhrmann.

In Karlsruhe hatten eine in Düsseldorf angestellte Lehrerin, der gekündigt worden war, und eine Sozialpädagogin aus Castrop-Rauxel geklagt. Beide wandten sich gegen das Verbot, im Schuldienst ein Kopftuch oder ersatzweise eine Basken-Wollmütze zu tragen. Sie waren zuvor bei den Arbeitsgerichten gescheitert.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stieß in NRW überwiegend auf Zustimmung. Lehrerverbände befürchten allerdings negative Folgen für muslimische Schülerinnen. „Der Druck auf muslimische Mädchen wird größer, gegen ihren Willen ein Kopftuch zu tragen“, sagte der Vorsitzende des Lehrerverbands VBE, Udo Beckmann. Er warnte davor „die Verantwortung nicht den Schulleitungen überlassen“. Die GEW-Landesvorsitzende Dorothea Schäfer äußerte sich ähnlich.

Zufrieden äußerte sich der Zentralrat der Muslime (ZMD). „Auch wenn das Urteil keine generelle Erlaubnis für das Kopftuch bedeutet, ist es sehr erfreulich“, sagte Generalsekretärin Nurhan Soykan. Es sei ein richtiger Schritt, „weil es die Lebenswirklichkeit muslimischer Frauen in Deutschland würdigt und sie als gleichberechtigte Staatsbürger am gesellschaftlichen Leben partizipieren lässt“.

Auch aus den christlichen Kirchen kam Zustimmung. Oberkirchenrat Klaus Eberl, Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland, nannte das Urteil „verständlich“. In den evangelischen Kindertagesstätten gebe es schon seit längerer Zeit muslimische Mitarbeiterinnen, „die ihr Kopftuch als religiöses oder kulturelles Symbol tragen, ohne dass es bisher zu Konflikten gekommen wäre“. Die Deutsche Bischofskonferenz lobte das Urteil als „starkes Signal für die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit“.

Die Verfassungsrichter sahen in dem pauschalen Verbot einen schweren Eingriff in die Glaubensfreiheit der Klägerinnen. Sie hätten plausibel dargelegt, dass das Kopftuchverbot ihre persönliche Identität berühre und ihnen sogar den Zugang zu ihrem Beruf verstelle. Damit sei auch der Gleichheitsgrundsatz berührt.

Ein Kopftuchverbot an Schulen sei nur dann gerechtfertigt, wenn durch das Tragen eine „hinreichend konkrete Gefahr“ für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität ausgehe. Eine abstrakte Gefahr reiche nicht aus. Die Richter korrigierten damit ihr sogenanntes Kopftuchurteil von 2003. Damals hatten sie den Ländern vorsorgliche Verbote erlaubt. Die frühere schwarz-gelbe Koalition in NRW hatte daraufhin 2006 die jetzt von Verfassungsgericht aufgehobene Regelung ins Schulgesetz aufgenommen.

Löhrmann sagte, mit einem generellen Kopftuchverbot werde unterstellt, die Trägerin verhalte sich „irgendwie verdächtig“. Das Kopftuch per se zu verbieten, für christlich-jüdische Symbole aber positive Ausnahmen zu schaffen sei nicht rechtens. Allerdings könne man das Kopftuch - wie auch die jüdische Kippa oder einen christlichen Kreuz-Kettenanhänger - im Einzelfall verbieten. Aber nur bei konkretem Hinweis auf eine Störung des Schulfriedens oder einen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot.