Umfrage Kinderarmut in NRW steigt: Fast jedes fünfte Kind lebt von Hartz-IV
Immer mehr Kinder wachsen in Armut auf. In manchen Ruhrgebietsstädten lebt fast jedes dritte Kind von Hartz-IV. Auch wenn es im ländlichen Raum deutlich besser aussieht, steigt auch hier das Armutsrisiko, wie eine aktuelle Datenauswertung der Bertelsmann-Stiftung zeigt.
Gütersloh. Die Zahl der Kinder, deren Familie von Sozialleistungen lebt, ist in Nordrhein-Westfalen 2015 auf rund 542 000 gestiegen. Damit gilt inzwischen fast jedes fünfte Kind als arm (18,6 Prozent), wie die Bertelsmann-Stiftung am Montag auf Grundlage aktueller Berechnungen von Sozialstatistikdaten mitteilte. Das ist mehr als im Bundesdurchschnitt, wo die Quote bei 14,7 Prozent liegt, und mehr als noch 2011. Damals lebten in Nordrhein-Westfalen rund 36 500 Kinder weniger in Hartz-IV-Haushalten, ihr Anteil lag bei 17 Prozent.
Kinderarmut ist jedoch regional sehr unterschiedlich verteilt, wie die Experten hervorheben. Das zeige nicht nur ein Blick auf die Entwicklung in den einzelnen Bundesländern. So haben Bayern und Baden-Württemberg aufgrund ihrer Wirtschaftsstärke auch geringere Kinderarmutsquoten von unter zehn Prozent, Tendenz allerdings steigend. Im Osten liegen die Werte mehr als doppelt so hoch, sanken aber in den vergangenen Jahren. Nordrhein-Westfalen ist bei der Kinderarmut unverändert das Schlusslicht der westlichen Flächenländer.
Auch innerhalb des bevölkerungsreichsten Bundeslandes gibt es gravierende Unterschiede. Zwischen Rhein und Weser gibt es Kreise, in denen weniger als jedes zehnte Kind in Armut aufwächst, aber auch Städte, in denen mehr als jedes dritte Kind auf staatliche Fürsorge angewiesen ist. Eines jedoch zeigt sich nahezu flächendeckend: Mit Ausnahme des Oberbergischen Kreises ist der Anteil armer Kinder an der Gesamtzahl der unter 18-Jährigen zwischen 2011 und 2015 überall zumindest leicht gestiegen.
Dramatisch ist die Lage vor allem in den Ruhrgebietsstädten. So gehören Gelsenkirchen und Essen zu den Kommunen mit den bundesweit anteilig meisten Kindern im Sozialleistungsbezug. In Gelsenkirchen sind 38,5 Prozent betroffen, bundesweit ist die Lage nur in Bremerhaven mit einer Quote von 40,5 Prozent schlimmer.
Hier spiegele sich zum einen die wirtschaftliche Struktur von Regionen, erläutern die Experten der Bertelsmann-Stiftung. Gleichzeitig vermuten sie einen Zusammenhang zu den Familienformen mit dem höchsten Kinderarmutsrisiko. 46,6 Prozent aller nordrhein-westfälischen Kinder im Hartz-IV-Bezug wachsen bei nur einem Elternteil auf, 38,6 Prozent haben zwei oder mehr Geschwister. Sowohl Alleinerziehende als auch kinderreiche Familien ziehe es aufgrund der Infrastruktur häufiger in Städte.
Das in ländlichen Räume dagegen weniger arme Familien leben, zeigt sich ebenfalls deutlich. Die Kreise Coesfeld und Borken im Münsterland, sowie die Kreise Höxter und Olpe, das Hochsauerland und der Oberbergische Kreis weisen einstellige Kinderarmutsquoten auf. (dpa)