Koalition: Mehr Kontrolle in der Pflege

Die Politiker fordern Nachbesserungen am Reform-Entwurf.

Berlin. Um Missstände in Pflegeheimen zu verhindern, fordern führende Sozialpolitiker der Großen Koalition weitreichende Nachbesserungen bei der geplanten Pflegereform. So spricht sich SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach dafür aus, ein Schulnoten-System für die Heime einzuführen. "Ich plädiere für ein ganz simples Notensystem, damit sich die Menschen ein Bild davon machen können, welche die zehn besten oder zehn schlechtesten Heime in einer Stadt sind", sagte Lauterbach im Gespräch mit unserer Zeitung.

Der SPD-Politiker kritisierte, dass die Prüfberichte des Medizinischen Dienstes der Kranken- und Pflegekassen derzeit "wie Geheimdokumente" behandelt würden. "Die Prüfberichte müssen veröffentlicht werden, um einen Qualitätsvergleich zu ermöglichen", verlangte er.

Der Gesetzentwurf zur Pflegereform von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) wird in dieser Woche erstmals im Bundestag beraten, was offenbar Lobby-Verbände in Stellung bringt. "Wir sind momentan großem Druck in der Politik ausgesetzt, von der Veröffentlichung der Prüfergebnisse abzusehen", sagte Lauterbach. Es gebe allerdings "eine politische und ethische Verpflichtung", bekannte Missstände aufzudecken.

Der SPD-Politiker verwies auf teilweise eklatante Missstände in den deutschen Pflegeheimen. Er forderte schärfere Kontrollen und mahnte eine jährliche Prüfung in den Heimen an.

Der von Gesundheitsministerin Schmidt vorgelegte Gesetzentwurf sieht vor, dass Pflegeheime alle drei Jahre kontrolliert werden sollen. Meist sind den Heimleitungen die Kontrolltermine bekannt. "Dass grundsätzlich unangemeldet kontrolliert wird, halte ich für unbedingt notwendig", so Lauterbach.

Auch Hubert Hüppe, der behindertenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, forderte an dieser Stelle Nachbesserungen: "Pflegeheime sollten jederzeit damit rechnen müssen, dass sie unangemeldet überprüft werden."

In Deutschland sind zwei Millionen Menschen auf professionelle Pflege angewiesen. Im Sommer hatte ein Bericht des Medizinischen Dienstes über Missstände in Pflegeheimen für Aufregung gesorgt. Demnach wird jeder zehnte Bewohner eines Heims medizinisch vernachlässigt, jeder dritte Patient erhält zu wenig zu essen oder zu trinken.

Wie katastrophal die Pflege von älteren Menschen in Heimen teilweise ist, wurde zuletzt im Sommer belegt: Der zweite Bericht zur Qualität der Pflege legte offen, dass es trotz Verbesserungen in den vergangenen Jahren weiterhin erhebliche Missstände gibt - viele Betroffene sind unterernährt, wundgelegen und leiden an Flüssigkeitsmangel. Die Diagnose ist also längst gestellt - was fehlt, ist die Therapie. Die Forderungen nach jährlichen und grundsätzlich nur noch unangemeldeten Kontrollen sind ebenso richtig wie überfällig, um schwarzen Schafen der Branche das Handwerk legen zu können. Hilfreich wäre auch, die Prüfberichte des Medizinischen Dienstes in verständlicher Sprache zu veröffentlichen, um Entscheidungshilfen für ältere Menschen und ihre Angehörigen zu schaffen. Und über all dies sollte nicht mehr lange geredet werden. Es sollte umgesetzt werden - und zwar schnellstmöglich.