GEwalt gegen LEhrer Lehrer als Opfer von Schülern und Eltern

Verband beklagt, dass Schulleitung und Schulaufsicht sich nicht schützend vor das Personal stellen.

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Düsseldorf. Eine junge Lehrerin wird in einer Whatsapp-Gruppe von Eltern massiv beleidigt — mit Begriffen wie „Schlampe“, „Hure“ und dergleichen mehr. Schulleitung und Schulaufsicht verweisen auf den Schulfrieden und weigern sich, gegenüber den Eltern Maßnahmen zu ergreifen. Erst nach einer rechtlichen Beratung geht die Lehrerin eigenständig gegen die Angriffe vor. Ein weiterer Fall: Eine Grundschullehrerin wird von Eltern angegriffen, weil sie mit der Klasse im Rahmen des Unterrichts eine Moschee besucht hatte. Eltern aus dem rechten Spektrum veröffentlichen den Namen der Lehrerin in Internetforen und drohen mit Gewalt. Aufgrund von psychischer Belastung droht die Dienstunfähigkeit. Doch auch hier stellen sich Schulleitung und Schulaufsicht nicht schützend vor die Lehrkraft.

Udo Beckmann, Bundesvorsitzender und Landesvorsitzender NRW des Verbands Bildung und Erziehung, der diese Fälle vor Journalisten erzählt, will damit zweierlei aufzeigen. Zum einen, dass psychische, aber auch physische Gewalt gegen Lehrer zum Alltag gehören (Infokasten). Zum anderen aber auch, dass eben dies an Schulen ein Tabu-Thema ist, das am liebsten unter den Tisch gekehrt wird. Dass sich Schulleitung und Schulaufsicht oft nicht vor den einzelnen Lehrer stellen. Gewalt gegen Lehrkräfte werde zu deren Privatproblem erklärt und kleingeredet, beklagt Beckmann: „Die schlimmste, leider nicht seltene Relativierung lautet: Das gehört halt zu Ihrem Job.“ Beckmanns Kommentar dazu: „Außer professionellen Kampfsportlern ist mir keine Personengruppe bekannt, zu deren Job es gehört, sich psychisch und physisch angreifen zu lassen.“ Wenn sich Lehrer nach reiflicher Überlegung für eine Strafanzeige entschieden, bräuchten sie uneingeschränkte Rückendeckung von den Arbeitgebern und der Justiz. Beckmann: „Die Reputation einer Schule darf nicht mehr zählen als das Recht und die Unversehrtheit des Einzelnen.“

Beckmann gibt noch ein weiteres Beispiel, in dem es an Rückendeckung für den Lehrerkollegen gemangelt habe: Ein Rektor wird angezeigt wegen Körperverletzung im Amt. Er soll einen Schüler auf den Rücken geschlagen haben, polizeiliche Fotos belegen Verletzungen des Schülers. Dieser benennt drei Mitschüler als Zeugen, die einen Übergriff des Rektors bestätigen. Der Fall geht durch die örtliche Presse. Am Ende stellt sich heraus, dass die Schüler gelogen haben, die Verletzungen stammen von einer Schlägerei drei Tage vorher. Der Rektor wird von der Staatsanwaltschaft rehabilitiert, Schulleitung und Schulaufsicht veranlassen aber keine Richtigstellung in der Öffentlichkeit.

Die Gewalt gegen Lehrer, das zeigen die von Forsa im Auftrag des VBE erhobenen Daten, hat bedenkliche Ausmaße: So haben acht Prozent der befragten Lehrkräfte in NRW körperliche Gewalt erlebt. Beckmann rechnet hoch, was das bedeutet: Acht Prozent von mehr als 181 000 Lehrkräften in NRW bedeutet, dass gut 14 500 Lehrkräfte schon einmal tätlich angegriffen worden sind. Das zeige, dass es nicht um Einzelfälle gehe. An Grundschulen haben nach den Zahlen sogar schon zwölf Prozent einen körperlichen Angriff erlebt. „Mit Blick auf die Zukunft sollte uns dies besonders nachdenklich machen“, sagt Beckmann.

Auch Cybermobbing wird nach Ansicht der Lehrer ein immer größeres Problem. 78 Prozent der Befragten in NRW sehen eine Zunahme von Formen des Mobbings über das Internet. Fast jede vierte Lehrkraft in NRW gab an, dass es Fälle an der Schule gab. Dabei bleiben gewiss viele Fälle von Cybermobbing unentdeckt, weil Lehrkräfte nicht gezielt im Internet nach Beleidigung ihrer Person suchen.

Offenbar, weil es sich um ein Tabu-Thema handelt, geben 15 Prozent der Lehrer an, dass sie, als sie von einem Schüler psychisch angegriffen wurden, nichts unternahmen. Geht der psychische Angriff von Eltern aus, ist die Bereitschaft von Lehrerseite, sich zur Wehr zu setzen, noch geringer. 30 Prozent der Befragten in NRW und 35 Prozent bundesweit gaben an, solche Vorfälle nicht gemeldet zu haben.

Aus Sicht von Beckmann ehrt es die Lehrkräfte zwar, wenn sie keine weitere Eskalation eine provozierten Konflikts herbeiführen wollen. Doch es gelte, auf die immer stärker werdende Aggressivität zu reagieren. Vorfälle aller Art müssten verpflichtend gemeldet und die entsprechenden Statistiken veröffentlicht werden. Wenn schulinterne Maßnahmen nicht ausreichten, müsse als letzte Möglichkeit eine Anzeige des Aggressors in Betracht gezogen werden. Bei der Polizei und den Arbeitsagenturen sei das längst üblich. Dort werde jede Beleidigung, jede Belästigung, jeder körperliche Angriff angezeigt. Wichtig sei aber in jedem Fall, so fordert Beckmann, dass die Lehrkraft die volle Unterstützung des Dienstherrn erhalte.