NRW Lehrerorganisation fordert einen Masterplan für die Grundschule
Die Landesregierung hat versprochen, kein Kind zurückzulassen. Eine Untersuchung des VBE an den Grundschulen bezweifelt das und legt Zahlen vor.
Düsseldorf. Udo Beckmann hat einen Skandal ausgemacht: „Die Landesregierung sagt immer, dass kein Kind zurückgelassen wird. Wir legen offen, dass nicht alles in Ordnung ist.“ Der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) in NRW fordert deshalb einen „Masterplan Grundschule“. Basis der markigen Worte ist eine Umfrage der Lehrerorganisation bei den öffentlichen Grundschulen, die Beckmann gestern in Düsseldorf vorgestellt hat. Daran teilgenommen haben 1245 von 2786 Schulen, also 45 Prozent. Laut Beckmann liegt die Resonanz, deutlich über üblichen Werten (25 Prozent).
Laut Umfrage hat mehr als jede dritte Grundschule weniger Lehrer als ihr nach dem Personalschlüssel des Landes zustehen. Zwei Drittel der Grundschulen geben an, dass sie keine personelle Reserve haben, um kurzfristigen Unterrichtsausfall aufzufangen. Und da NRW im Ländervergleich eh schon auf niedrigem Niveau starte, so Beckmann, habe ein Grundschüler in NRW nach vier Schuljahren „Unterricht im Umfang eines Halbjahres weniger gehabt als ein Vergleichsschüler in Bayern“.
Hinzu komme, dass über die Hälfte der Grundschulen Lehrkräfte mit befristeten Verträgen beschäftigen und Stellen nicht besetzt werden können, da zu wenige Lehramtsstudenten nachrücken.
Die personelle Schwäche treffe auf — nicht zuletzt durch die Flüchtlingskinder — gewachsene Schulklassen. Die Klassenstärke liege mit durchschnittlich 24,13 Schülern knapp über der vom VBE maximal empfohlenen Stärke von 24 Kindern. Die Schüler/Lehrer-Relation sei mit 21,95 höher als bei allen anderen Schulformen. „Die Grundschule ist das Stiefkind der Landesregierung“, beschwert sich Udo Beckmann.
Zusätzliche Aufgaben wie Inklusion und Integration verschärfen die Situation — die Grundschulen bemängeln hier die Unterstützung im sonderpädagogischen Bereich und bei der Sprachförderung. 70 Prozent der Schulleitungen geben an, dass nicht die nötige Förderung angeboten werden kann.
Personell unterversorgt seien die Grundschulen aber auch im Verwaltungsbereich — bei einem Drittel sei zumindest eine Schulleitungsstelle nicht besetzt. Besondere Aufgaben wie Gleichstellungs- und Sicherheitsfragen leisten Lehrer häufig, ohne entlastet zu werden. Dennoch, so Beckmann, seien Grundschullehrer hochmotiviert, was die Landesregierung ausnutze: „Sie honoriert dieses Engagement mit der höchsten Unterrichtsverpflichtung, der schlechtesten Bezahlung, den geringsten Aufstiegschancen, einem nicht vorhandenen Topf von Anrechnungsstunden für besondere Aufgaben und einer fehlenden Wertschätzung von Schulleitungsaufgaben.“
Der geforderte Masterplan solle vor allem dafür sorgen, dass der Lehrerberuf wieder attraktiver und 2400 Lehrerstellen in den Grundschulen neu geschaffen werden.
Die Opposition im Land unterstützt die Kritik, wirft der Landesregierung Tatenlosigkeit und eine Fehlsteuerung in der Schulpolitik vor. Klaus Kaiser, CDU-Fraktionsvorsitzender im Landtag spricht von „fahrlässigen Fehlern schon am Beginn des Bildungswegs“. Und die bildungspolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Yvonne Gebauer, fordert „beste Bildung statt rot-grüner Mangelverwaltung“.
Die Landesregierung wehrt ab. Eine Sprecherin des Schulministeriums sagt: „Unser Ziel ist grundsätzlich eine gute Bildung und Chancengerechtigkeit für alle Schülerinnen und Schüler in NRW.“ Außerdem lässt das Ministerium Zahlen sprechen. Im Rahmen des Gesetzes zur Sicherung eines qualitativ hochwertigen und wohnungsnahen Grundschulangebotes hätten die Grundschulen zusätzlich 1700 Stellen erhalten und sie partizipieren an weiteren Investitionen. 2015 seien 2800, 2016 bereits 1000 neue Grundschullehrer eingestellt worden. 449 zusätzliche Stellen zur Entlastung der Schulleitung sowie mehr als 800 zusätzliche Stellen im Rahmen der Inklusion kämen hinzu. Der Vergleich mit Bayern schließlich könne nicht nachvollzogen werden.