Herr Groschek, was bedeutet „die wahre SPD“ denn für Sie?
Interview zur Zukunft der SPD Michael Groschek: „SPD erlebt das tiefste Tal seit 60 Jahren“
Düsseldorf · Ex-Landeschef Michael Groschek warnt die SPD davor, die politische Mitte zu räumen und den Notausgang aus der Groko Richtung Rot-Rot-Grün zu suchen.
Mit seiner Initiative „Die wahre SPD“ hat Michael Groschek, früher NRW-Bauminister und SPD-Landeschef, jetzt Mitglied des Bundesparteivorstands, in dieser Woche eine Debatte um die Stoßrichtung der Sozialdemokratie ausgelöst. Er warnte unter anderem ausdrücklich vor einem Linksruck. Im Interview erklärt er, warum das kein Widerspruch zur „Rot-Pur“-Linie seines Nachfolgers Sebastian Hartmann in der NRW-SPD ist.
Michael Groschek: Der Begriff ist natürlich eine Provokation. Wir werden dem Kind einen anderen Namen geben, weil wir ja nicht über Adjektive streiten wollen, sondern über Inhalte. Es geht um die Vorbereitung eines möglicherweise historischen Bundesparteitags Ende des Jahres. Die SPD ist ein einem Tal, so tief wie seit 60 Jahren nicht mehr.
Und wie könnte eine „wahre SPD“ da wieder herauskommen?
Groschek: Dafür aktivieren wir die, die schon sehr erfolgreich sozialdemokratische Arbeit leisten, etwa als Bürgermeister oder Landräte. Davon gibt es sehr viele, sie spielen in der SPD nur nicht die Rolle, die sie spielen sollten. Gemeinsam müssen wir die Alltagsprobleme der Menschen und deren Lösungen in den Mittelpunkt stellen. Ja, es geht uns dabei um soziale Gerechtigkeit – aber es geht nicht ohne wirtschaftliche Kompetenz.
Ist Ihr Appell gegen einen Linksruck der Partei als Widerspruch zum „Rot-Pur“-Kurs ihres Nachfolgers Sebastian Hartmann an der Spitze der nordrhein-westfälischen SPD zu verstehen?
Groschek: Überhaupt nicht. Der Begriff Rot-Pur stammt sogar noch von mir. Gemeint war damit: Wir sind keine billige Kopie der Grünen oder Linken, sondern eine eigenständige Partei, die ihren Platz in der politischen Mitte auf gar keinen Fall räumt. SPD-Pur steht dahinter. Zu Sebastian Hartmann habe ich nach wie vor einen sehr engen und guten Draht. Wir sind beide auf Kohle geboren.
Wenn Sie die Bedeutung der Rathäuser für die Sozialdemokratie betonen – könnte dort auch ein geeigneter Kandidat für Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur schlummern?
Groschek: Ich könnte jetzt sofort Namen nennen. Aber das wäre nicht sinnvoll, so lange jeder mögliche Kandidat sagt: Parteivorsitz? Nein danke! Erst mal müssen wir Ordnung in das Verfahren bringen.
Und den Job des Parteichefs wieder zu einem machen, den auch jemand haben will?
Groschek: Richtig. Wir müssen uns die Frage stellen, ob es strukturelle Probleme in der SPD gibt, die Parteispitzen scheitern lassen. Ich meine, wir haben seit Willy Brandt 15 Vorsitzende verschlissen.
Bedauern Sie also, dass Andrea Nahles sich zum Rückzug entschieden hat?
Groschek: Es war zumindest ein sehr, sehr ungewöhnlicher Vorgang, weil er so unangekündigt kam. Aber er hat natürlich eine Vorgeschichte unter dem in unserer Partei bekannten Siegel: „Wir gegen uns selbst“. Das ist eine Erbkrankheit der SPD und wenn wir die nicht bekämpfen, kommen wir auf keinen grünen Zweig.
Können Sie auf den denn überhaupt noch kommen in der großen Koalition? Viele Ihrer Parteifreunde wollen da so schnell wie möglich raus.
Groschek: „No Groko“ ist bloß eine Parole und kein Programm. Wir haben verabredet, auf dem Bundesparteitag Bilanz zu ziehen, und das kann nur bedeuten: eine Bilanz der Umsetzung unseres Koalitionsvertrages. Wenn wir diesen unterschriebenen Vertrag vorzeitig auflösen wollen, muss das schwerwiegende Gründe haben – und darf nicht nur der Notausgang Richtung Rot-Rot-Grün sein.
Viele sehen die bisherige Regierungsbilanz durchaus als einen schwerwiegenden Grund ...
Groschek: Aber die SPD treibt die Regierung an. Darauf sollte sie auch stolz sein, statt ständig das Haar in der Suppe zu suchen. Unser Ziel sollte weiterhin das Regieren sein, denn nur so kann man gestalten. Ein Klimaschutz etwa, der nicht zu sozialen Schieflagen führt, geht nur mit der SPD in der Regierung. Das gilt es zu transportieren.