Mit dem Baukasten gegen die Probleme in der Hauptschule

Ministerin Barbara Sommer weitet die „Qualitätsoffensive Hauptschule“ aus. Kernpunkt sind drei Doppeljahrgangsstufen.

Düsseldorf. Die Gegner des dreigliedrigen Schulsystems winken bei den Zahlen am liebsten ab. Für NRW-Schulministerin Barbara Sommer (CDU) sind sie hingegen eine Bestätigung ihres eingeschlagenen Weges: Nach Angaben des Westdeutschen Handwerkskammertages entfielen im vergangenen Jahr rund die Hälfte aller neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge auf Absolventen mit Hauptschulabschluss.

Das mag nicht verwundern - streben Gymnasiasten und Realschüler doch selten ins Handwerk. Doch die Ministerin ist sich sicher: "Die Fakten belegen, dass die Hauptschulen ihre Schüler genauso gut auf die Zukunft vorbereiten wie die anderen Schulformen." Und Sommer will mehr. Die zu Jahresbeginn von der schwarz-gelben Landesregierung auf den Weg gebrachte "Qualitätsoffensive Hauptschule" soll ausgebaut werden und dem Stiefkind des NRW-Schulsystems neues Leben einhauchen.

Denn trotz verstärkter Ganztagsangebote und zusätzlicher Lehrerstellen kämpft die Hauptschule ums Überleben. Bei Verbänden und Gewerkschaften hat sie keine Lobby. Die Kultusministerkonferenz lamentiert über das schlechte Leistungsniveau der Schüler. Und die verunsicherten Eltern schicken ihre Kinder lieber gleich auf die Gesamtschule.

Merkmal des Konzepts, das den Schulleitern im Januar vorgestellt wird: Es ist wie ein Baukasten aufgebaut. Die Schulen entscheiden, welche Teile zu ihrem Standort und ihrer Situation passen. Die sechs Schuljahre sind in drei Doppeljahrgangsstufen mit jeweils eigenen Schwerpunkten aufgeteilt. Für alle Stufen gilt: Sitzenbleiben ist die Ausnahme.

Während es in den Klassen 5/6 vor allem darum geht, Defizite aufzuarbeiten und Stärken auszubauen, sollen die Jugendlichen in den beiden folgenden Schuljahren erste Berufserfahrungen sammeln. Die Stufe 9/10 zeichnet sich dadurch aus, dass jene Schüler, die den Hauptschulabschluss anstreben (zuletzt 60,4 Prozent), Langzeitpraktika absolvieren. Hingegen steht bei Schülern, die die Fachoberschulreife erwerben (30,2Prozent), die individuelle Förderung im Vordergrund.

Neu ist die Idee von zweijährigen Kooperationsklassen von Hauptschulen und Berufskollegs. Hier sollen Jugendliche, die ohne Abschluss zu bleiben drohen, eine spezielle Förderung erhalten.

Auch wenn die Statistik den Anschein erweckt, dass Hauptschüler auf dem Arbeitsmarkt gefragt sind - die Wirtschaft beklagt seit Jahren Defizite in Deutsch und den grundlegenden Rechenarten. Diese Kompetenzen seien aber "unerlässlich für die Teilhabe an unserer Gesellschaft", so Sommer. Deshalb dürfen die Schulen zusätzlichen Unterricht in den Kernfächern anbieten.

Bei den Schulleitern stößt das Konzept auf positive Resonanz. Von einer "super Sache" und einer "sinnvollen Aufteilung in drei Stufen" ist die Rede. Auch die Stärkung der Basiskompetenzen wird befürwortet. Dennoch gibt es Zweifel, ob sich das Baukastenprinzip eins zu eins umsetzen lässt. "Ich habe schon jetzt Schwierigkeiten, Personal zu finden", klagt der Leiter einer Hauptschule aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf. Zudem setze das Konzept weitere Lehrerstellen voraus - unabhängig von der finanziellen Unterstützung. Mit Blick auf die zusätzlichen Berufspraktika im zweiten Doppeljahrgang ist die Sorge groß, dass der Unterrichtsstoff dann auf der Strecke bleibt. "Wo sollen wir den noch reinpacken?"