Nordrhein-Westfalen vor spannender Wahl
Düsseldorf (dpa) - Nach einem kurzen und konzentrierten Wahlkampf haben an diesem Sonntag in Nordrhein-Westfalen die Wähler das Wort. Bei der Landtagswahl im bevölkerungsreichsten Bundesland tritt die SPD nach knapp zwei Jahren rot-grüner Minderheitsregierung als Favorit an.
SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft kämpft um eine stabile rot-grüne Mehrheit. Nach den Umfragen scheint diese möglich. Am Samstag schlossen die Parteien den Wahlkampf ab. Wegen der gut 13,2 Millionen Wahlberechtigten gilt der Urnengang in NRW auch als kleine Bundestagswahl.
Entsprechend aufmerksam wird der Ausgang in Berlin mit Blick auf das Bundestagswahljahr 2013 verfolgt. Die Wahl könnte Auswirkungen auf die schwarz-gelbe Regierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) haben. Vor allem die Zukunft der seit langem kriselnden FDP unter ihrem umstrittenen Bundesvorsitzenden, Vizekanzler Philipp Rösler, steht im Mittelpunkt.
Nach den Umfragen scheint ein Fünf-Parteien-Parlament aus SPD, CDU, Grünen, FDP und Piratenpartei wahrscheinlich. Die Aussichten der Linken, den Wiedereinzug zu schaffen, sehen dagegen schlecht aus. Keine Partei hat in dem knapp zweimonatigen NRW-Wahlkampf bestimmte Bündnisse kategorisch ausgeschlossen. Im Endspurt warben die Parteien bis zuletzt mit geballter Politprominenz um die Gunst der Wähler.
Zur Unterstützung von FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner kamen am Samstag auch Parteichef Rösler und Außenminister Guido Westerwelle nach Düsseldorf. Lindner sprach sich erneut für Sparsamkeit des Staates aus: „Nicht die Einnahmen des Staates sind zu niedrig, sondern die Erwartungen an den Staat sind zu hoch“, sagte er bei der Abschlusskundgebung.
Der CDU-Spitzenkandidat, Bundesumweltminister Norbert Röttgen, hatte am Freitagabend die NRW-Wahl erneut mit der Politik von Kanzlerin Angela Merkel verknüpft. Im Beisein der Regierungschefin sagte er in Düsseldorf: „Der Wahlsonntag dient auch dazu, dass unsere Bundeskanzlerin für ihre nationale Politik, für ihre europäische Politik (...) volle Unterstützung aus Düsseldorf bekommt anstatt immer nur Gegenwind und Knüppel zwischen die Beine.“
Röttgen war in den vergangenen Tagen aus der eigenen Partei gemahnt worden, eine mögliche Wahlniederlage nicht mit Merkel zu verknüpfen. Merkel rief die Zuhörer in Düsseldorf auf, am Sonntag zur Wahl zu gehen. „Nordrhein-Westfalen muss stärker werden“, sagte sie. Röttgen hat bis zuletzt offen gelassen, ob er bei einer Niederlage als Oppositionsführer nach Düsseldorf kommt.
SPD-Chef Sigmar Gabriel hob beim Finale in Bochum die Verdienste von Ministerpräsidentin Kraft hervor. Mit ihrer Wahl zur stellvertretenden Bundesvorsitzenden 2009 habe der Aufstieg der Sozialdemokratie begonnen. Seitdem habe die SPD in vielen Bundesländern Erfolge gefeiert. „Das wollen wir fortsetzen.“
Die Umfagen sehen die SPD bei 37 bis 38 Prozent und die CDU klar abgeschlagen bei 30 bis 31 Prozent. Die Grünen liegen bei 11, die Piraten bei 8 und die FDP bei 6 Prozent. Die Linke würde mit 3 Prozent die Rückkehr in den Landtag verpassen. Damit hätte Rot-Grün eine klare Mehrheit.
Für die rot-grüne Regierung sorgten kurz vor der Wahl Vorwürfe wegen angeblicher „Dankeschön-Aufträge“ an eine Kommunikationsagentur für Wirbel. Die wies die Vorhaltungen zurück.
Von der NRW-Wahl könnten Hinweise ausgehen, ob Zweier-Bündnisse außer der großen Koalition noch eine Chance haben. Sollten SPD und Grüne keine Mehrheit bekommen, wäre auch eine Ampelkoalition mit der FDP denkbar. Allerdings hat sich Lindner dazu vor allem wegen der Unterschiede zu den Grünen in der Haushaltspolitik mehrfach ablehnend geäußert. Auch eine große Koalition ist nicht ausgeschlossen. Damit rechnet die FDP, falls es nicht für Rot-Grün reicht.
Für die Piraten mit ihrem Spitzenkandidaten Joachim Paul scheint der Einzug in das vierte Landesparlament nach Berlin, Saarland und Schleswig-Holstein nahezu sicher. Die Grünen hoffen auf ein ähnliches Ergebnis wie 2010 (12,1 Prozent) - und dass sie mit Schulministerin Sylvia Löhrmann wieder die Vize-Regierungschefin stellen können.
Um die mindestens 181 Sitze im NRW-Landtag bewerben sich 1085 Kandidaten. 17 Parteien treten mit Landeslisten an.