NRW: 61 neue Sekundar- und Gesamtschulen können starten
Eine Idee zündet: Die Nachfrage nach schulformübergeifendem Unterricht ist groß. Gut 7000 Anmeldungen ermöglichen einen Gründungsboom bei Sekundar- und Gesamtschulen. Die grüne Schulministerin fühlt sich bestätigt.
Düsseldorf (dpa). Immer mehr Eltern wollen für ihre Kinder schulformübergreifenden Unterricht und offene Bildungsabschlüsse. Mit gut 7000 Schüleranmeldungen können in Nordrhein-Westfalen nach den Sommerferien 42 neuartige Sekundarschulen und 19 zusätzliche Gesamtschulen an den Start gehen.
„Wir haben also einen echten Gründungsboom zu verzeichnen“, sagte NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) am Dienstag in Düsseldorf. „Er ist da, der große Bedarf an Schulen mit längerem gemeinsamem Lernen.“ Das Echo der unterschiedlichen Lehrerverbände bleibt geteilt.
Der überwiegend Realschullehrer organisierende Verband „Lehrer NRW“ sieht die neue Sekundarschule als „Gesamtschule "light" ohne Oberstufe“. Acht geplante Sekundar- und und zwei beantragte Gesamtschulen, die im Februar vorbehaltlich ausreichender Anmeldezahlen genehmigt worden waren, schafften diese Hürde nicht.
Eine weiterer Sekundarschul-Antrag war damals schon wegen mangelnder Voraussetzungen aussortiert worden. Der Lehrerverband Bildung und Erziehung (VBE) führt solche Fehlstarts auf mangelnde Informationen zurück. Der Philologen-Verband wertete sie hingegen als Bremssignal für Kommunalpolitiker: Sie sollten das bisherige Schulsystem nicht über Bord werfen und die Sekundarschule nicht „als Leuchtturm der Bildungsgerechtigkeit stilisieren“.
Insgesamt werden zum neuen Schuljahr rund 300 Schulen in NRW schulformübergreifenden Unterricht anbieten: 244 Gesamtschulen, 42 Sekundarschulen und 12 Gemeinschaftsschulen, die bereits seit Sommer 2011 als Schulversuch laufen.
Die Landesregierung geht davon aus, dass bis zum Ende der Wahlperiode 2015 rund 200 neue Sekundarschulen errichtet werden. Dieser Schultyp bietet mindestens in den Klassen 5 und 6 allen Kinder gemeinsamen Unterricht. 12 Schulen wollen dies auch ab Klasse 7 beibehalten, kündigte Löhrmann an. Nur zwei Sekundarschulen wollen nach der 6. Klasse in unterschiedlichen Bildungsgängen getrennt unterrichten.
28 Schulen haben sich dafür entschieden, in einzelnen Fächern gemeinsam und in anderen getrennt zu unterrichten. Für diese Schulen soll in einer neuen Ausbildungs- und Prüfungsordnung festgelegt werden, dass leistungsdifferenzierter Unterricht in den Hauptfächern Deutsch, Englisch und Mathematik sowie in den Klassen 9 und 10 auch in den Naturwissenschaften erteilt werden soll.
Zwischen den Oster- und den Sommerferien sollen die Lehrer an allen Sekundarschulen mit einem „maßgeschneiderten Fortbildungspaket“ fit gemacht werden. „Das kann bestenfalls ein Schnupperkurs sein“, kritisierte „Lehrer NRW“ in einer Mitteilung.
Für Lehrer an auslaufenden Hauptschulen hat das Ministerium ein Übergangskonzept entwickelt. „Es ist wirklich extrem, wie die Eltern mit den Füßen abgestimmt haben“, sagte Löhrmann. Die Zahl der Hauptschüler in NRW sei seit 2003 kontinuierlich zurückgegangen von damals 291 000 auf nur noch 188 000 - Tendenz weiter fallend. Zum Schuljahr 2010/11 gab es in NRW noch 640 Hauptschulen.
Mit dem Schulkonsens zwischen SPD, CDU und Grünen habe NRW den Weg zur zukunftsfesten Schule eingeschlagen, bekräftigte Löhrmann. Die Notwendigkeit, Schulerfolg von sozialer Herkunft abzukoppeln, werde von der jüngsten Bertelsmann-Studie erneut belegt. „Hoffnungslose Fälle können und dürfen wir uns nicht länger leisten.“
Die CDU begrüßte, dass den Kommunen durch das neue Schulgesetz Möglichkeiten zur Verfügung stehen, auf den dramatischen Rückgang der Schülerzahlen zu reagieren. Der schulpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Thomas Sternberg, mahnte aber, den Blick für die vielfältigen Schul- und Berufsoptionen nicht zu verlieren. „Der Mensch fängt nicht erst mit dem Abitur an.“