Selbstzerfleischung

Kein Tag ohne Putschversuche gegen den Regierungschef, kein Tag ohne neue Skandale, bei denen Politiker sich auf Kosten der Steuerzahler die Taschen voll stopfen - dies ist nicht etwa Alltag in fernen Entwicklungsländern, sondern in Großbritannien, der "Mutter aller Demokratien".

Sie steckt heute, zu Beginn der Europawahlen, in einer der tiefsten Krisen ihrer Geschichte.

Hauptproblem ist eine Regierungspartei, die manisch-depressiv ihr Führungspersonal zerfleischt und sich gleich mit. Zwei Lager schlagen in der Labour-Brust: Alte Blair-Anhänger, die es bis heute nicht verwunden haben, dass Gordon Brown ohne persönliches Mandat das Amt seines Vorgängers übernommen hat. Es war Tony Blair, der die Wahl gewonnen hatte und dann über den Irakkrieg stolperte. Brown galt als Labour-Heiland, der Wandel und Neuanfang versprach, nachdem die Partei Blairs schwindende Erdung satt hatte. Browns Nüchternheit, die nun so verspottet wird, galt vor zwei Jahren als Erlösung.

Heute hingegen hofft Labour wieder auf einen Charismatiker. Dabei ist nicht allein der unpopuläre Brown das Problem; den jüngsten Absturz in Umfragen müssen sich Abgeordnete selber zuschreiben, die alle Vorurteile über raffgierige Politiker bestätigen. So wird die heutige Europawahl in Großbritannien, so ungerecht das ist, vor allem ein wütendes Votum zum Versagen der eigenen Politiker werden.