Aufnahmestopp für Ausländer Tafel weist Ausländer ab: „In sechs Wochen wiederkommen“

Essen (dpa) - Die Enttäuschung ist groß bei den Ausländern vor der Essener Tafel. Sie stehen am Morgen für eine neue Berechtigungskarte für Nahrungsmittel an, bekommen aber keine mehr.

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Und die Ausländer, die am Mittag an der Ausgabe für Brot, Obst oder Gemüse anstehen, sehen bange in die Zukunft. Wenn ihre aktuell noch gültige Karte demnächst abläuft, bekommen sie nach jetzigem Stand keine neue mehr.

Selbst die Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den Verein nicht zum Umdenken bewegen können. Ausländer werden weggeschickt. Vielleicht kann der geplante runde Tisch, an dem auch Wohlfahrtsverbände und Migrantenorganisationen sitzen, noch die Wende bringen.

„Wir sollen in sechs Wochen wiederkommen“, sagt ein abgewiesenes Ehepaar. Die beiden gehören zu den ersten Bedürftigen ohne deutschen Pass, die nach der neuen Zugangsreglung abgewiesen werden - trotz des Aufschreis in der Öffentlichkeit.

Der Grund für den harten Kurs: Der Essener Tafel war der Ausländeranteil mit 75 Prozent zu hoch geworden. Seniorinnen und alleinerziehende Mütter hätten sich von den vielen fremdsprachigen jungen Männern in der Warteschlange abgeschreckt gefühlt. Nun werden vorübergehend nur Bedürftige mit deutschem Pass aufgenommen.

Böswillige Kritiker haben das vor Tagen mit Nazi-Parolen auf den Tafel-Transportern quittiert. Der Verein macht die Schmierereien absichtlich nicht weg. „Dann würden die nächsten kommen und neue Parolen anschmieren“, sagt eine Mitarbeiterin.

Das abgewiesene Paar zeigt zwei Identitätskarten im Scheckkartenformat, die aussehen wie Personalausweise. Es sind aber Aufenthaltsgenehmigungen. Damit bekommen sie zurzeit keine Berechtigungskarte für die Nahrungsmittelausgabe.

Das Ehepaar wird von Vereinschef Jörg Sartor ebenso weggeschickt wie Dadashi Lotfabad. Auch der 69-Jährige soll in sechs Wochen wiederkommen. „Letztes Jahr hatte ich eine Berechtigungskarte“, sagt der Rentner. Warum er dieses Mal keine Karte bekommen hat? „Das weiß ich nicht so genau.“ Den Trubel der vergangenen Tage um den vorübergehenden Ausschluss von Bedürftigen ohne deutschen Pass hat er nur so halb mitbekommen.

An der kleinen Schlange in der Kartenausgabe der Essener Tafel, die in einem alten Wasserturm untergebracht ist, kann es nicht liegen, dass Lotfabad derzeit keine Nahrungsmittel bekommt. Es sind wenige Dutzend gekommen, um eine Berechtigungskarte zu erhalten - deutlich weniger als sonst. Vielleicht hat es sich herumgesprochen, dass es zurzeit keine Karten für Ausländer gibt.

Essens Tafel-Chef Sartor hat schon vor Beginn der Kartenausgabe die Wartenden hereingelassen. Draußen ist es klirrend kalt. Drinnen bekommen die Menschen eine Wartenummer. Journalisten komplimentiert der Chef höflich wieder hinaus. Zu sagen hat er erstmal nichts. Nach der Kritik am Ausschluss von Ausländern war schon am Dienstag festgelegt worden, dass ein runder Tisch das weitere Vorgehen berät.

Frührentnerin Nicole Plica hält das Vorgehen für gerechtfertigt. „Ich finde es gut, dass Herr Sartor so reagiert hat“, sagt sie und berichtet von Konflikten bei der Essensausgabe. „Es war nicht immer schön, wie die Anstehenden und die Mitarbeiter behandelt wurden.“ Ein 62-jähriger Deutscher will erst nichts sagen, stellt sich nun aber an die Seite von Nicole Plica. „Es war immer richtig voll, und es gab immer Krach. Da gibt es schwarze Schafe, die einfach nehmen, was sie kriegen können. Das sind aber auch Deutsche.“

Genau das ist der Punkt, glaubt NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP): „Wer an einer Tafel sich nicht anständig benimmt, der gehört da dauerhaft ausgeschlossen und da ist es auch völlig egal, ob er einen Fluchthintergrund hat oder nicht“, sagt er am Mittwoch im Landtag. Deutsch oder nicht deutsch sei die falsche Frage - es gehe um anständig oder nicht anständig.

Am Mittag herrschen bei den Ausländern vor der Nahrungsmittelausgabe in Essen gemischte Gefühle. „Es wäre traurig, wenn mein Schein nicht verlängert wird“, sagt eine 65-Jährige aus dem ehemaligen Jugoslawien, die seit 1971 in Essen lebt. „Seit fast 50 Jahren zahle ich Steuern und Abgaben. Ich habe mir den Arsch aufgerissen“, sagt sie. Ihre geringe Rente zwinge sie dazu, zur Tafel zu gehen. Ihr Schein läuft Ende März aus. Bis dahin hofft sie auf ein Einlenken der Tafel.

Lena Shabo, eine 35-Jährige Irakerin, pflichtet ihr bei. „Wir sind auch Hartz-4-Empfänger. Wir brauchen auch etwas zu Essen.“