Fall Sami A. Ende in Sicht beim Ringen um „Bin Ladens Leibwächter“
Düsseldorf · Der Fall Sami A. sorgte für viel Zwist – und könnte nun ein Ende finden. Das Gericht selbst schürt diese Hoffnung.
Seit nunmehr zwölf Jahren versuchen deutsche Behörden, Sami A. – Gefährder und angeblicher früherer Leibwächter des Terrorchefs Osama Bin Laden – außer Landes zu bringen. Seit dem 13. Juli ist er wieder in seiner Heimat – und seit diesem Tag gab es Zwist zwischen Landespolitikern, zwischen Politik und Justiz, zwischen Landes- und Bundesministern. Jetzt ist ein Ende des Zinnobers in Sicht. Das Gericht bräuchte schon sehr gute Gründe, dem neuen Änderungsantrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) nicht zu folgen.
Ein erster Versuch des Bamf, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Gelsenkirchen über das Abschiebeverbot zu kippen, war im August gescheitert. Die Tatsache, dass A. in Tunesien auf freiem Fuß ist, und Protokolle von Telefonaten mit Tunis, reichten den Richtern nicht; sie seien „nicht mit einer diplomatischen Zusicherung vergleichbar“, hieß es in der Presseerklärung des VG. Bereits im Ursprungsbeschluss im Juli hatten die Richter festgehalten, es spreche viel dafür, dass „bezogen auf den Antragsteller eine entsprechende indiviualbezogene diplomatische Zusicherung zu fordern wäre“. Diese individualbezogene Zusicherung liegt laut VG-Sprecher Wolfgang Thewes nun vor: Die Verbalnote beziehe sich auf Sami A. und bestätige, dass er nach den Rechtsvorschriften, die mit den Menschenrechten übereinstimmen, behandelt wird. Die Anwältinnen von A. hätten bis zum Donnerstag Zeit, Stellung zum Änderungsantrag zu nehmen. „Dann wird zeitnah entschieden werden“, so Thewes.
Frieden zwischen den Gewalten könnte wiederhergestellt werden
Könnte die Entscheidung anders lauten als, dass A. keine Folter droht? Und in der Folge: Dass er in Tunesien bleiben kann? Die Debatte um Sami A., dessen rasche Rückführung und den nicht ans Gericht weitergegebenen Abschiebungstermin hatte einen Grundsatzstreit losgetreten um die Frage, was schwerer wiegt: Das Anliegen eines Politikers, der die Bevölkerung um jeden Preis vor einem Extremisten schützen will, oder das Anliegen der Juristen, die sich verbitten, dass man ihren Entscheidungen vorgreift. Nun könnten alle Beteiligten bekommen, was sie wollten: Minister Joachim Stamp (FDP) einen Gefährder außer Landes, das Gericht die Hoheit der finalen Entscheidung. Da es selbst mehrfach die Bedeutung der Verbalnote hervorgehoben hat, wird es ihr diese wohl auch zuschreiben. Das könnte den Frieden zwischen zwei Gewalten in NRW wiederherstellen.
Was bleibt, sind Zweifel, ob auf Bundesebene alles getan wurde, um die Rückkehr eines Mannes zu verhindern, der angekündigt haben soll, im Fall seiner Abschiebung werde Deutschland Blut weinen. Bei Fragen zum Verfahren wurde man in den vergangenen zwei Wochen im Kreis geschickt: vom Auswärtigen Amt zum Bamf, vom Bamf zum Bundesinnenministerium, von dort zum Auswärtigen Amt. Gar keine Info gibt es darüber, ob A. in Tunesien beobachtet wird – ob er überhaupt sicher noch dort ist. Minister Stamp hatte sich bereits enttäuscht gezeigt über die fehlende Schützenhilfe von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) trotz vollmundiger Ankündigungen, Rückführungen von Gefährdern seien „Chefsache“. Dreieinhalb Monate hat die Verbalnote gebraucht – für eine „Chefsache“ kein überragendes Ergebnis.