Landtag Wachsende Kinderarmut in NRW kratzt am Marken-Kern von Kümmerin Kraft
Für Rot-Grün in NRW geht es ans Eingemachte. Vieles läuft derzeit schlecht für Ministerpräsidentin Kraft. Auch die Kinderarmut wächst. Aus Sicht der Opposition ist der Lack ab.
Düsseldorf. Für Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen läuft es gerade schlecht: Die höchste Arbeitslosenquote aller westdeutschen Flächenländer, unterdurchschnittliches Wirtschaftswachstum, die meisten Schulden, die schlechteste Quote beim Angebot an Krippenplätzen, sinkende Umfragewerte - und jetzt auch noch wachsende Kinderarmut. Das trifft den Markenkern der Landesregierung und das persönliche Profil von „Kümmerin“ Hannelore Kraft.
Am Mittwoch spießte die Opposition das Dilemma in einer Aktuellen Stunde im Landtag auf. Die Ministerpräsidentin - derzeit mit einer Lungenentzündung außer Gefecht - konnte die massiven Angriffe nicht parieren. Der jüngste Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands spricht eine klare Sprache: Während in neun Bundesländern die Armutsquoten gesunken seien, setze sich der Negativtrend in NRW ungebrochen fort.
„Das Ruhrgebiet bleibt (...) die armutspolitische Problemregion Nummer Eins in Deutschland“, heißt es dort. Zudem sei die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung in einer Studie zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kinderarmutsquote seit Regierungsantritt von Rot-Grün 2010 bis 2014 von rund 21 auf etwa 24 Prozent gestiegen sei, hielt CDU-Fraktionschef Armin Laschet der Landesregierung vor. Der Kinderschutzbund habe sich ebenfalls alarmiert geäußert. „Alles ist schlimmer geworden für die Kinder in Nordrhein-Westfalen“, bilanzierte Laschet.
Dabei sei der Anspruch „Kein Kind zurücklassen“ Leitmotiv der Regierung Kraft gewesen, an dem sie sich messen lassen wollte. Für ihre „Präventionspolitik“ habe Kraft einen bundesweit einmaligen Investitionsbegriff in Anspruch genommen und Milliarden an Schulden aufgenommen. Mit einem Gesamtschuldenstand von rund 142 Milliarden Euro liegt NRW bundesweit an der Spitze.
„Das Mantra hat sich abgenutzt“, stellte der FDP-Abgeordnete Marcel Hafke fest. „Sie haben Null Erfolge vorzuweisen.“ 2014 seien in NRW 637 000 von insgesamt rund 2,9 Millionen Kindern und Jugendlichen in NRW von Armut betroffen gewesen, räumte Sozialminister Rainer Schmeltzer (SPD) ein. „Das ist eindeutig zu hoch.“
Noch in diesem Jahr will die Bertelsmann Stiftung einen Bericht vorlegen, ob Krafts vorbeugende Sozialpolitik in 18 Modellkommunen gelungen ist. Für Oppositionsführer Laschet ist das Ergebnis unerheblich. Schon ein Jahr vor der Landtagswahl zeigen aus seiner Sicht alle Wirtschafts- und Sozialdaten klar, dass die Regierung mit ihrer präventiven Sozialpolitik ebenso gescheitert ist wie mit dem Strukturwandel im Ruhrgebiet.
Jetzt gebe es nur eine Antwort: mehr Arbeitsplätze. Ökonomie müsse in NRW vor der Ökologie wieder an die erste Stelle rücken. Die Schlüsselrolle des Erwerbseinkommens kennt auch Familienministerin Christina Kampmann (SPD). „Ich habe selbst lange genug im Sozialamt gearbeitet, um diesen Teufelskreis aus vererbter Armut jeden Tag vorgelebt zu bekommen“, räumte die 35-Jährige ein, die neben dem Studium im Sozialamt Bielefeld tätig war.
Mit kurzfristigen Konzepten sei dem aber nicht beizukommen. Allerdings zeigen die jüngsten Zahlen der Agentur für Arbeit: Während die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland auf den niedrigsten Februar-Stand seit 25 Jahren gesunken ist, ist sie in NRW leicht gestiegen. Mit einer Arbeitslosenquote von 8,1 Prozent hat NRW den höchsten Wert aller westdeutschen Flächenländer - im Ruhrgebiet liegt die Quote sogar bei 11,2 Prozent.
SPD und Grüne zählten zahlreiche Programme auf, mit denen die Regierung bereits versuche, gegenzusteuern. Immerhin seien zwischen 2014 und 2015 zusätzlich 159 000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse entstanden. Und zur Regierungszeit von CDU und FDP 2005 bis 2010 habe die Kinderarmut in NRW zugenommen, obwohl sie bundesweit damals noch rückläufig gewesen sei, hielt die Koalition der Opposition vor.
Den Piraten Daniel Düngel überzeugt die Selbstdarstellung von Regierung und Opposition nicht. Die Menschen interessiere nicht, „wie toll Schwarz-Gelb gewesen ist und wie geil Rot-Grün in ihren Regierungszeiten“. Am Ende stehe für die Bürger in NRW doch fest: „Das Ergebnis ist einfach scheiße.“ (dpa/lnw)