Machtkampf: Thailand erneut am Abgrund
Ein Bündnis aus Militär, Palast und Unternehmern will die Demokratie abschaffen.
Bangkok. Vor dem Parlament in Bangkok spielten sich am Dienstag Szenen wie in einem Bürgerkrieg ab: Tränengaswolken in der Luft, Blutlachen auf den Pflastersteinen, Polizisten hinter Schutzschilden verbarrikadiert, blutüberströmte Demonstranten am Boden, zwei Tote. Der Regierungschef floh im Hubschrauber vom Parlamentsgelände.
Auch wenn sich die Lage am Mittwoch etwas beruhigte, geht der Machtkampf in Thailand weiter: Auf der einen Seite steht die demokratisch gewählte Regierung, auf der anderen eine außerparlamentarische Opposition, die den Thailändern die Reife zur Demokratie abspricht und Parlamentarier vor allem ernannt haben will. Dieses lose Bündnis (PAD) aus Mitläufern, Ex-Militärs, Unternehmern und Intellektuellen hält mit tausenden Anhängern seit Ende August den Regierungssitz besetzt und lähmt die Politik.
Der Stern der PAD war jüngst im Sinken, nachdem das oberste Gericht ihre Hassfigur Nummer eins, den Regierungschef Samak Sundaravej, um sein Amt gebracht hatte. Samaks Partei brachte den konzilianten Somchai Wongasawat an die Macht.
Auch ihn schwärzten die Anführer der PAD nach Kräften als Lakaien des 2006 gestürzten Regierungschefs Thaksin an. Den verteufeln sie als Populisten, der zwar die Armen begeisterte, aber für sie der Inbegriff von Korruption war. Somchai ist Thaksins Schwager. Die PAD wurde als Protestbewegung zu Thaksin geboren. Ihrem Druck gab das Militär mit dem Sturz Thaksins nach.
Bis zur Explosion der Gewalt am Dienstag sah es so aus, als behalte die Regierung unter dem besonnenen Somchai im Machtkampf die Oberhand. Sie hatte Verhandlungen mit der PAD aufgenommen, um die Krise zu beenden. Doch das Bündnis ist kompromisslos. "Demokratie ist ein westlicher Exportartikel", erklärte Anführer Sondhi Limthongkul. Die PAD will 70Prozent der Abgeordneten ernennen lassen. Das würde dem Bildungsbürgertum in Bangkok in die Hände spielen, das Ämter über Jahrzehnte unter sich ausgemacht hat.
Die Demonstranten hätten Rückendeckung in höchsten Staatskreisen, heißt es. Königin Sirikit soll 2000 Euro für die Versorgung der rund 450 beim Polizeieinsatz Verletzten gespendet haben. "Die PAD ist in einer unheiligen Allianz mit dem Militär, der Justiz und der Opposition, und viele Leute glauben, dass der Palast sie unterstützt", sagt der Bangkoker Politikwissenschaftler Giles Ungphakorn. Thailand hat seit Abschaffung der absoluten Monarchie 1932 mehr als 15 Militärputsche erlebt - den bislang letzten im September 2006.