Merkel wird in Paris immer mehr zur Reizfigur
Der französische Präsident Sarkozy ist empört über die Kanzlerin: Deutschland blockiere einen gemeinsamen Kurs Europas.
Paris. Einen netten Ausflug in die Geschichte hatten Angela Merkel und Nicolas Sarkozy am kommenden Samstag geplant. Zur Eröffnung des neuen De-Gaulle-Museums im Osten Frankreichs reist Merkel nach Colombey-les-Deux-Eglises. Doch die Krise an den Finanzmärkten wird wohl wenig Raum lassen für Verbeugungen vor dem französischen Übervater, der vor 50 Jahren auf seinem dortigen Landsitz Konrad Adenauer empfangen hatte.
Das war der Beginn der deutsch-französischen Aussöhnung. Am Donnerstag herrscht stattdessen dicke Luft. Gastgeber Sarkozy ist stinksauer auf Merkel. Ihr wirft er vor, dass sein Krisen-Vierergipfel vom Wochenende ein ziemlicher Flop war. "Wenn es ein Schlag ins Wasser war, dann war es nicht meiner. Es war Merkels Fehlschlag", schäumte Sarkozy nach einem Bericht der gut informierten Zeitung "Le Canard enchainé".
Sarkozy warf Merkel vor, einen europäischen Rettungsplan nach US-Vorbild für die taumelnden Banken blockiert und statt dessen darauf gedrungen zu haben, dass sich jeder selbst um seine Probleme kümmern solle. Dass Merkel unmittelbar darauf in aller Hast ein 50 Milliarden schweres Rettungspaket für die taumelnde Münchner Hypo Real Estate stricken musste, kommentierte Sarkozy mit dem hämischen Satz: " Sie ist sich selbst in die Falle gegangen."
Ohnehin soll Merkel damit gedroht haben, den Krisengipfel der vier reichsten europäischen Länder im Pariser Elysée platzen zu lassen, wenn Sarkozy einen Vorschlag seiner Wirtschaftsministerin nicht offiziell dementiert. Ausgerechnet in einer deutschen Zeitung hatte Christine Lagarde im Vorfeld die Idee eines europäischen Rettungspakets in Höhe von 300 Milliarden Euro für Europas Banken lanciert - ein Vorschlag, den Merkel, aber auch Finanzminister Peer Steinbrück, für Paris eine weitere Reizfigur, umgehend zurückwiesen.
Um seinen Gipfel zu retten, hatte Sarkozy notgedrungen seine eigene Ministerin zurückpfeifen müssen, die sich anschließend eine Standpauke anhören musste. "Nicht du hast dich in einer deutschen Zeitung zu äußern. Ich bin es, der redet", stauchte Sarkozy seine Ministerin zusammen.
Mit seiner Kritik an deutschen Solotouren, die ein abgestimmtes europäisches Vorgehen verhinderten, steht Sarkozy in Frankreich freilich nicht allein. Seit Tagen werfen Frankreichs Leitartikler Berlin nationale Alleingänge vor, die den Vertrauensverlust an den Finanzplätzen nur verschärften. "Angela Merkel hat einen Fehler begangen. Sie hat vergessen, dass das deutsche Bankensystem das schwächste in Europa ist", urteilte etwa der Publizist Alain Minc, dessen Rat auch Sarkozy sucht.
Unter dem Titel "Ungeniertes Deutschland" warf wiederum "Le Monde" in einem Leitartikel Berlin vor, sich aus der internationalen Verantwortung stehlen zu wollen. Die Schwäche des deutschen Bankensystems gefährde "das gesamte Finanzsystem auf dem alten Kontinent".
Der konservative "Figaro" wiederum rügte, dass Merkel die irische Regierung für ihre Garantie der Spareinlagen auf der grünen Insel kritisierte, um kurz darauf das gleiche Versprechen für deutsche Sparer abzugeben - ohne die EU-Partner zuvor auch nur konsultiert zu haben.
Die Deutschen "sind in dieser Krise weniger europäisch als die Engländer - und das will was heißen", setzte Sarkozy jetzt noch eins obendrauf. Das Treffen am Samstag im Schatten de Gaulles und Adenauers kann heiter werden.