McCain kämpft – und Obama siegt
Der republikanische Kandidat findet kein Rezept, um gegen seinen Gegner zu punkten. Der Demokrat gewinnt souverän auch das zweite von drei TV-Duellen.
Washington. Allmählich sieht es so aus, als ob das größte politische Gefecht des alten Kämpfers auch sein letztes ist. John McCain hat Folter und Kriegsgefangenschaft in Vietnam überlebt, sein Mut und seine Zähigkeit stehen außer Frage, doch im Kampf gegen Barack Obama um die US-Präsidentschaft findet der alte Krieger nicht die richtigen Waffen.
Alle Umfragen deuten darauf hin, dass der Republikaner auf dem Weg zu einer schmerzhaften Wahlniederlage ist. Das TV-Duell am Dienstag galt als eine seiner letzten Chancen, den Trend zugunsten Obamas umzukehren. Es ist ihm nicht gelungen. Obama behielt souverän die Oberhand, für McCain wird es nun eng.
Als Schlüsselszene der TV-Debatte wird möglicherweise jener Moment in Erinnerung bleiben, als McCain ein umstrittenes Energiegesetz kritisierte, mit dem Finger auf Obama zeigte und die Wähler im Studio fragte: "Wissen Sie, wer dafür gestimmt hat? Der da!"
Es klang respektlos. Mit konstanten Verbalattacken auf Obama erfüllte McCain die Forderungen aus seiner Partei nach aggressiverem Auftreten, ließ dabei aber auch eine Verachtung seines Gegners erkennen, die bei den Wählern normalerweise nicht gut ankommt.
Während des 90-minütigen Fernsehduells wurde zudem schnell klar, dass allein das Format den Senator aus Illinois begünstigen würde. Von einem Publikumsmitglied auf seine Ideen zur Bewältigung einer ausufernden Wirtschaftskrise angesprochen, griff der 47-jährige Obama selbstbewusst zum Mikrofon und erinnerte an jene Exzesse sowie die Korruption, die Banken in den Ruin trieben und in zunehmendem Maße auch die Gesamtwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen.
"Nachdem die Regierung für den kaputten Versicherungskonzern AIG ein Rettungspaket in Höhe von 85 Milliarden Dollar ankündigte", so Obama, "feierten die AIG-Manager mit einer Party, die die Steuerzahler weitere 400 000 Dollar kostet."
Auch McCain sagte der Korruption den Kampf an, wirkte aber durchweg weniger dynamisch. Während der drahtige und sportliche Obama leichtfüßig über die Bühne schritt, wirkte sein 25 Jahre älterer Gegner, der nach wie vor mit den physischen Folgen harter Folter im vietnamesischen Gefangenenlager Hanoi Hilton zu kämpfen hat, hölzern und schwerfällig.
Eine Debatte, die sachlich begonnen hatte, artete sehr schnell in einen polemischen Schlagabtausch zwischen den Kandidaten aus. McCain wolle mit Steuersenkungen nur die Reichsten begünstigen, sei für die lasche Aufsicht über die Finanzmärkte verantwortlich und ein Garant für eine dauerhafte Truppenpräsenz im Irak, wetterte Obama.
Auch McCain ließ keine Gelegenheit aus, seinen Gegner an den Pranger zu stellen. Obama, der sich als "Reformer" verkaufen wolle, habe sich während seiner drei Jahre im Senat als Opportunist erwiesen, so der Republikaner.
Sollten die derzeitigen Befunde der Demoskopen Bestand haben, könnte den USA bei der Wahl in vier Wochen ein erdrutschartiger politischer Umbruch wie zuletzt bei der Wahl Ronald Reagans 1980 bevorstehen. Auf McCain lastet nun der Druck, dem Rennen durch einen Paukenschlag eine neue Wendung zu geben.
Obama verfolgt derweil die Strategie, seinen Gegner als Erben des unpopulären Präsidenten George W. Bush zu porträtieren. Wie sehr McCain dadurch in der Defensive ist, zeigte sich in dem TV-Duell: Als er einen neuen Plan zur Hilfe für konkursbedrohte Hauskäufer vorstellt, stellte McCain beflissen klar: "Das ist mein Plan, nicht der Plan von Präsident Bush."