Paris streitet über Gaddafi-Besuch
Kritik: Präsident Sarkozy hofiert Libyens Staatschef – Minister protestiert.
Paris. Zufall, gutes Vorzeichen oder Provokation? Dass Libyens Revolutionsführer Gaddafi ausgerechnet am gestrigen Tag der Menschenrechte seinen fünftägigen Staatsbesuch in Paris begann, stieß nicht nur Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner sauer auf.
Ein Termin in Brüssel, "ein glücklicher Zufall", so Kouchner, bot ihm den Grund, dem Staatsdinner zu Ehren Gaddafis am Abend fernbleiben zu können. Frankreich sei keine "Fußmatte, auf der ein Führer, ob Terrorist oder nicht, seine Füße vom Blut seiner Untaten säubern kann", wetterte überdies die Staatssekretärin für Menschenrechtsfragen, Rama Yade. Diese Attacken erzürnten Präsident Nicolas Sarkozy derart, dass Mademoiselle Yade noch vor Gaddafis Landung gestern Mittag zur Standpauke in den Elysée zitiert wurde.
Mit allem Pomp empfing Paris Gaddafi, der im Verlauf seines Besuchs gleich drei Mal mit Sarkozy zusammentreffen wird. Gegenüber dem Elysée-Palast, im Garten des präsidialen Gästehauses, darf Gaddafi sein luxuriöses Beduinenzelt aufschlagen, in dem er zwar nicht schlafen, aber Gäste empfangen will. Demonstrativ herzlich hatte Frankreichs Präsident seinen Gast, der jahrzehntelang geächtet war, schon am Wochenende auf dem Lissabonner Afrika-Gipfel der EU begrüßt. "Gaddafi, mein Freund", lästerte die linke "Liberation", dessen Chefredakteur Laurent Joffrin Sarkozy mit galliger Ironie vorhielt, den einstigen Terroristen-Förderer offenbar mit Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela zu verwechseln. "Nichts zwingt Frankreich, sich so würdelos zu benehmen."
Dass Gaddafi im "Mutterland der Menschenrechte", so die französische Selbstwahrnehmung, mit allen protokollarischen Ehren überhäuft wird, spaltet nicht nur die Regierung. Auch einer ganzen Reihe Abgeordneter aus dem Sarkozy-Lager sträubten sich gestern die Nackenhaare, dass ausgerechnet Frankreich den libyschen Diktator ohne jede Zurückhaltung hofiert. Dabei hatte Gaddafi in Lissabon eben noch den Terrorismus als Waffe der Schwachen verteidigt und Ausgleichszahlungen der früheren Kolonialstaaten für Jahrhunderte der Ausbeutung verlangt. Sarkozy tat so, als habe er nichts gehört.
Keinen Hehl machte Sarkozy daraus, dass er vor allem Libyens Öl-Milliarden im Blick hat. Noch liegt Frankreich beim Handel mit Libyen nur an sechster Stelle - weit hinter den Deutschen. Verträge im Wert von mehr als zehn Milliarden Euro wurden noch gestern Abend unterzeichnet, das ist Balsam für die magere Außenhandelsbilanz. Neben umfangreicher Militärausrüstung bestellt Gaddafi 21 Airbus-Flugzeuge, darunter zehn Langstrecken-Maschinen vom Typ A350, aber auch ein Atomkraftwerk. Diese Lieferung hatte Sarkozy Gaddafi im Sommer, nach der Freilassung der bulgarischen Krankenschwestern, versprochen. Was sonst noch an heiklen Lieferungen vereinbart wurde, versucht ein Untersuchungsausschuss mit eher mäßigem Erfolg seit Wochen zu ergründen.