Pisa-Studie: Chancengleichheit mangelhaft!
Laut der jüngsten internationalen Studie haben es Schüler aus Migranten-Familien weiterhin schwer.
Frankfurt. Wenn es bei der Schulstudie Pisa Noten geben würde, hätte Deutschland diesmal wohl die Gesamtnote "befriedigend" bekommen. Zum Klassenprimus reicht’s zwar noch nicht, aber es zeichnen sich Verbesserungen ab. Während das vor allem Deutschlands Bildungspolitiker erfreut, verweisen andere auf die schlechten Noten im Zeugnis. Dort steht nach wie vor "mangelhaft" bei der Chancengerechtigkeit. Kinder aus ärmeren und bildungsfernen Familien und mit Migrationshintergrund haben es weiterhin schwer.
In den Naturwissenschaften als Schwerpunkt der neuen Studie schneiden die 15-jährigen Schüler, die bei Pisa getestet werden, gut ab. Ihre Leistungen in diesem Bereich liegen klar über dem Durchschnitt. Unter den 30Staaten der für die Untersuchung verantwortlichen Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nehmen sie Rang acht ein. Die OECD sieht deshalb hier Stärken des deutschen Schulsystems.
Allerdings will die internationale Organisation nicht von einem Leistungszuwachs im Vergleich zu früheren Studien sprechen, weil die Tests aus ihrer Sicht nicht vergleichbar sind. Etwas anders sehen dies die deutschen Pisa-Forscher, die die internationalen Tests erweitert hatten. In deren Zusammenfassung heißt es zu den Naturwissenschaften: In diesem Bereich zeigte sich ein positives Bild, "das eine weitere deutliche Verbesserung seit der Erhebung 2003 erkennen lässt".
Im Lesen und in Mathematik, den anderen getesteten Bereichen, sieht es dagegen nicht ganz so gut aus: Die deutschen Schüler liegen jeweils nur im Mittelfeld. Die deutschen Experten sind dabei wieder optimistischer, sie sehen das Glas halbvoll und nicht mehr halbleer. Beim Lesen sprechen sie von "kleinen Verbesserungen". In der Mathematik verweisen sie darauf, dass es zwischen den Tests der Jahre 2000 und 2003 zu "bemerkenswerten Verbesserungen" gekommen sei.
Für Deutschlands Bildungspolitiker reichen die Pisa-Ergebnisse aus, um sich selbst für ihre Arbeit der vergangenen Jahre zu loben. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) sprach von einem "positiven Zeichen für die Bildungsreform".
Weiteren Reformbedarf kann aber auch die Politik nicht bestreiten. Es besteht nach wie vor ein zu enger Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Schulerfolg. Nur in Luxemburg, Ungarn, Frankreich, Belgien und der Slowakei spielt das Elternhaus eine ähnlich große Rolle. Besonders benachteiligt sind Jugendliche mit Migrationshintergrund.
Bereich MATHEMATIK
WECHSELKURS Mei-Ling aus Singapur wollte für drei Monate als Austauschstudentin nach Südafrika gehen. Sie musste Singapur Dollar (SGD) in Südafrikanische Rand (ZAR) wechseln.
FRAGE 1 Mei-Ling fand folgenden Wechselkurs heraus: 1 SGD = 4,2ZAR. Sie wechselte zu diesem Kurs 3000 Singapur Dollar in ZAR. Wie viele südafrikanische Rand hat Mei-Ling erhalten? (Richtige Antwort: 12 600 ZAR)
FRAGE 2 Bei ihrer Rückkehr nach Singapur hatte Mei-Ling 3900 ZAR übrig. Sie wechselte diese in Singapur Dollar zurück. Der neue Wechselkurs betrug: 1 SGD = 4,0 ZAR. Wie viele Singapur Dollar hat Mei-Ling erhalten? (Richtige Antwort: 975 SGD)
Bereich NATURWISSENSCHAFTEN
KARIES Bakterien verursachen Karies. Heute wissen wir über Karies zum Beispiel: Bakterien ernähren sich von Zucker. Zucker wird zu Säure umgewandelt. Säure beschädigt die Oberfläche der Zähne. Zähneputzen hilft, Karies zu vermeiden.
FRAGE 1 Welche Rolle spielen Bakterien bei Karies? A: Sie produzieren: Zahnschmelz B: Zucker C: Mineralien D: Säure (Richtige Antwort: D)
FRAGE 2 Warum tritt Karies häufiger auf den Kauflächen der Zähne auf als auf den Vorder- und Rückseiten? (Richtige Antwort: Erklärungen, aus denen hervorgeht, dass sich auf den Kauflächen mehr Essen und Bakterien ansammeln, so dass Bakterien, die dort leben, mehr Nahrung bekommen und mehr Säure produzieren können)
SAURER REGEN Normaler Regen ist leicht sauer, weil er etwas Kohlenstoffdioxid aus der Luft aufnimmt. Saurer Regen ist säurehaltiger als normaler Regen, weil er auch Gase wie Schwefeldioxide oder Stickoxide aufnimmt.
FRAGE Woher kommen diese Schwefeldioxide und Stickoxide in der Luft? Richtige Antwort: Beliebige Nennung von: Auto- oder Fabrikabgasen, Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Öl und Kohle, Vulkan-Gase oder Ähnliches)
Glaubt man den Kultusministern, so scheint die Welt an Deutschlands Schulen fast wieder in Ordnung zu sein. Von "erfreulichen Nachrichten", "Zuversicht" und "positiven Zeichen" wird da nach der Vorstellung der neuen Pisa-Studie geschwärmt. Hat da jemand die Statistiken nicht richtig gelesen? Es müssen keine Analysten bemüht werden, um zu erkennen, dass es keinen Grund dafür gibt, sich an den Ergebnissen zu berauschen. Deutschland ist zwar Weltspitze - aber nach wie vor nur bei der Benachteiligung von Migranten- und Arbeiterkindern. Ein Titel, auf den niemand stolz sein kann und der die respektablen Erfolge der 15-Jährigen im Bereich Naturwissenschaften leider in den Hintergrund treten lässt.
Die Verfasser der Pisa-Studie legen erneut den Finger in die noch offene Wunde unseres Schulsystems. Allen Reformanstrengungen zum Trotz hat die Bildungspolitik in den sechs Jahren seit dem ersten Pisa-Schock kein Rezept gefunden, Kindern aus bildungsfernen Schichten die gleichen Chancen zu eröffnen wie dem Nachwuchs aus der Mittel- und Oberschicht. Das ist - wie Bundespräsident Horst Köhler dieser Tage trefflich formulierte - nicht nur eine "unentschuldbare Ungerechtigkeit", sondern auch eine Vergeudung von Humankapital. Eine Gesellschaft mit immer weniger Kindern und einem steigenden Bedarf an gut ausgebildeten Menschen kann sich diesen Missstand nicht lange leisten, will sie nicht ihrer Wirtschaft und deren Wettbewerbsfähigkeit schaden.
Die Politik versucht derzeit den Anschein zu erwecken, den in den 70er und 80er Jahren erbittert geführten Gesamtschul-Streit nicht wieder aufleben lassen zu wollen. Abgesehen vom Gymnasium, das sakrosankt bleibt, wird jedoch quer durch die Republik über den Verzicht auf Hauptschulen und die Einführung von Gemeinschaftsschulen diskutiert. Man muss nicht gleich wie Pisa-Chef Schleicher einen radikalen Umbau des Systems fordern. Es wäre schon hilfreich, längeres gemeinsames Lernen anzubieten. Immerhin hat die Grundschulstudie Iglu gezeigt, dass dort soziale Unterschiede noch am besten kompensiert werden und individuelle Förderung ihren Namen auch verdient. So lange sich an dieser Front aber nichts bewegt, gibt es für Deutschlands Schulen keine Entwarnung.